Rückblick und Ausblick: Neujahrsempfang 2023 erstmals wieder im EPH

Wollnashorn

Das Wollnashorn bei "800: Das Theaterstück" im Georg-Gaßmann-Stadion am 11. Juni 2022. (Foto: Laura Schiller)

„War das ein Jahr“, seufzte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Beim Neujahrsempfang der Stadt Marburg blickte er auf die Ereignisse im Jahr 2022 zurück.
In den beiden Vorjahren hatte der Neujahrsempfang wegen der Corona-Pandemie nur online stattfinden können. Der Neujahrsempfang 2023 fand am Samstag (14. Januar) erstmals wieder vor Ort im Erwin-Piscator-Haus (EPH) statt. Gleichzeitig wurde die Veranstaltung jedoch auch über das Internet gestreamt.
Knapp 1.000 geladene Gäste waren der Einladung des Oberbürgermeisters ins EpH gefolgt. Darunter waren mehr als 850 Ehrenamtliche aus Vereinen in Kultur, Sport und dem gesellschaftlichen Leben sowie Menschen aus Wirtschaft, Politik und Stadtverwaltung. Darüber hinaus konnten Interessierte den Neujahrsempfang im EPH über den Stream auch online verfolgen.
„Hat es schon angefangen?“ Das Wollnashorn zu Beginn erinnerte an das Jubiläumsstück „800 – das Theaterstück oder Rosenwunder premium reloaded“ des Hessischen Landestheaters Marburg (HLTM) zum Stadtjubiläum „Marburg800“. Auch darin hatte es die Aufführungen im Georg-Gaßmann-Stadion (GGS) mit dieser wiederholten Frage eingeleitet.
Für Spies war insbesondere der Jahresanfang alles andere als erfreulich. Er erinnerte an die Corona-Pandemie und den völkerrechtswidrigen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022. Zugleich gab ihm das auch die Gelegenheit, der Marburger Bevölkerung für ihr eindrucksvolles Engagement für die Geflüchteten aus der Ukraine zu danken.
Sie haben Waren zur Grenze gebracht und Menschen von dort nach Marburg geholt, berichtete er. Viele haben Geflüchteten Wohnraum angeboten oder sie sogar in ihrer Wohnung aufgenommen. Diese gigantische Hilfsbereitschaft erfülle ihn mit Freude, erklärte Spies.
„Dieser verbrecherische Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen“, bekräftigte der Oberbürgermeister. Den russischen Präsidenten Vladimir Putin bezeichnete er unter dem Applaus der Anwesenden im EPH als „Diktator“.
Bei seinem Rückblick erwähnte Spies auch die zahlreichen Aktivitäten zum Jubiläumsjahr. Besonders beeindruckt habe ihn die große Jubiläumsfeier am Pfingstsonntag auf der Stadtautobahn. „Da haben wir viele vereine und Initiativen angetroffen, die wir noch gar nicht kannten“, berichtete er.
Der Rudolphsplatz wurde zur Galerie. Der obere Zugang zum Oberstadtaufzug wurde durch Fotos verschönert. Dergleichen wolle die Stadt künftig auch anderswo machen, um hässliche Ecken zu verschönern, kündigte Spies an.
Die Oberstadt sei durch verschiedene Aktivitäten belebt worden. Eine davon ist die Nutzung leerstehender Ladenlokale als „VielRAUM“. Diesen Weg wolle die Stadt weiter fortsetzen, kündigte der Oberbürgermeister an.
Der gesellschaftliche Zusammenhalt bildete einen weiteren Schwerpunkt der Neujahrsrede des Oberbürgermeisters. Darin verwies er auch auf die Neuregelungen im Sozialrecht. Zum Jahresbeginn hat sich die Zahl der Berechtigten für den Bezug von Wohngeld deutlich erhöht.
„Bisher hatten wir in Marburg rund 3.000 Wohngeldberechtigte“, berichtete Spies. Nun werde sich diese Zahl auf knapp 9.000 beinahe verdreifachen. Die durchschnittliche Bezugssumme werde sich verdoppeln, doch viele Berechtigte nähmen ihre Rechte nicht in Anspruch, bedauerte der Oberbürgermeister.
Notwendig sei deshalb eine bessere Beratung sowie Hilfe bei der Antragstellung. Da wolle die Stadt künftig mehr tun, versprach Spies. Allerdings sei das auch eine Aufgabe für die gesamte Bevölkerung, die Nachbarinnen und Nachbarn auf diese Möglichkeit hinweisen und sie bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützen sollte.
Ein Höhepunkt des Abends war der Auftritt der Slam-Poetin Leah Weigand. Die Medizinstudentin trug ihr Gedicht „Ungepflegt“ über ihre Erfahrungen als Krankenschwester im Universitätsklinikum vor. Begeisterte Beifallsstürme des Publikums waren die absolut angemessene Antwort auf ihre gereimte Auseinandersetzung mit der Belastung des Pflegepersonals, der geringen Wertschätzung und Unverständnis im Bekanntenkreis über ihre Berufswahl einerseits sowie ihrer Freude an dem Dank mancher Patienten und der Sinnhaftigkeit ihrer Aufgabe andererseits sowie dem letztlich ungenügenden Applaus von den Balkonen während des Corona-Lockdowns.
Weigands Slam-Poetry gab Spies die Möglichkeit, zur aktuellen Auseinandersetzung um das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) Stellung zu nehmen. Noch einmal bekräftigte der Oberbürgermeister die Feststellung: „Die Privatisierung des Klinikums war falsch, ist falsch und bleibt falsch.“
Spies forderte erneut die Rückübertragung des UKGM in Landesbesitz. „Das Klinikum gehört unter die Kontrolle des Landes Hessen“, erklärte er. Zudem unterstützte er die Forderung der Beschäftigten nach Mindeststandards für die Personalausstattung.
Dem Land hatte Spies angeboten, bei einer Rückübertragung des UKGM in öffentliches Eigentum auch Geld von der Stadt beizusteuern. Ansonsten warnte er jedoch vor allzu großer Freigebigkeit beim Geld. Die außergewöhnlichen Einnahmen der Stadt in den letzten drei Jahren seien eine Ausnahme und kein Dauerzustand, warnte er.
Beim jüngsten Kassensturz hatte sich die Summe der Gewerbesteuern aus der Impfstoffproduktion in Marbach auf insgesamt 600 Millionen Euro erhöht. Das ist deutlich mehr als ursprünglich erwartet. Doch müsse die Stadt die Hälfte davon an den Kreis, andere Kommunen und das Land weiterreichen.
Die Summe wolle die Stadt zunächst anlegen, berichtete der Kämmerer. Das tue sie bei der „seriösesten Anlagemöglichkeit in Hessen“, verriet Spies, „beim Land Hessen“.
Darüber hinaus erarbeite die Stadt ein Investitionsprogramm für die nächsten zehn Jahre, um diesen Reichtum nachhaltig für eine bessere Zukunft einzusetzen. Dieser Plan solle am Montag (16. Januar) dem Magistrat vorgelegt und dann in die Stadtverordnetenversammlung (StVV) eingebracht werden.
„Die Hälfte der Summe geht in den Klimaschutz“, versprach Spies. Das solle einerseits durch die energetische Sanierung von Gebäuden geschehen und zum Anderen durch städtische Förderprogramme. „Gerade im Gebäudebereich erreichen wir die höchste Wirksamkeit beim Abbau von CO2“, erklärte der Oberbürgermeister.
Auch im Verkehrsbereich möchte Spies die Energiewende vorantreiben. Dazu soll die Zahl der Parkplätze beispielsweise im Südviertel verringert werden. Die Versiegelung von Flächen zum Abstellen von Autos sei nicht nur eine gigantische Platzverschwendung, sondern verhindere auch das Pflanzen von Bäumen zur Verbesserung des Stadtklimas.
„Hier entstehen die Ideen und hier wird einfach mal angefangen, denn Machen ist wie Wollen, nur krasser“, erklärte Spies zum Schluss: „Machen wir also – gemeinsam – unsere Stadt zum besten Ort, an dem man leben kann, jeden Tag ein Stückchen mehr!“

* Franz-Josef Hanke

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