1.000 Menschen entwickelten am 19. und 20. April Ideen für das Marburger Schloss. Sie entfachten ein „Ideenfeuer“ fürs „Dornröschenschloss“.
Ein „Ideenfeuer“ für das Marburger Landgrafenschloss entzündeten Marburgerinnen und Marburger während der Beteiligungstage „Bau dir dein Schloss“ am Freitag (19. April) und Samstag (20. April). Mehr als 1.000 Besucherinnen und Besucher kamen. In Workshops, Gesprächen, Mitmachaktionen, Experimenten und Spielen gingen sie der Frage nach, wie das Landgrafenschloss der Zukunft aussehen soll. Dazu wurde diskutiert, gebastelt, gezeichnet und geplant.
Schloss-Bibliothekar Hubertus von Klingelklangel hat das mannsgroße Buch über Schlossie unter dem Vorbau des ehrwürdigen Gemäuers aufgeschlagen. Der Mann mit dem schwarzen Schlapphut nimmt immer neue Bilder des seit Jahrhunderten verschollenen Schlossmonsters in die alte Kladde auf. Dazu zeichnen Erwachsene und Kinder „Schlossie“ mal als „Ungeheuer von Loch Marburg“, mal als Gespenst oder Drache. Schließlich weiß niemand so genau, wie „Schlossie“ eigentlich aussieht.
Vor allem Familien spazierten rund um das Schloss, um die Aufgaben aus dem Erlebnisspiel „Findet Schlossie“ von Theater Gegenstand und Fast Forward Theater zu lösen. Sie bauten Flugobjekte, erspähten 17-stellige Code-Ziffern mit einem Fernglas, begegneten einer mittelalterlichen Musikantin, mit der „Schlossie-Lieder“ zu singen waren, posierten auf dem Lieblingsbaum des Urtiers und übten mit Monstertrainern. Bei dem Kryptozoologen Marcel Mauritius Krach gab es Hinweise auf die gesuchte Gestalt, die mal als Flugechse, Pinguin oder Käfer daherkam.
Eine Bruchpilotin trainierte die ambitionierten Suchenden mit Umkehrbrillen im Abwurf von „Schlossie“-Dosen. Und wer durchhielt, fand das Monster schließlich versteckt in einer Nische in der Nähe des Hexenturms. Dort soll es sogar Fotos von „Schlossie“ gegeben haben.
Zwischendurch konnten die Spielenden immer wieder Zettel in Wunschboxen werfen mit ihren Vorstellungen und Ideen zur Zukunft des Schlosses. Denn das war das Ziel der – von Stadt und Philipps-Universität organisierten –
Beteiligungstage „Bau dir dein Schloss“: Sie sollten möglichst viele Menschen und Blickwinkel einbeziehen, Raum für das gemeinsame Nachdenken und innovative Ideen bieten, die in das künftige Konzept einfließen können.
„Ich freue mich sehr, dass Sie mithelfen, damit das Schloss den Zustand, die Ausrichtung und den Rang erfährt, die der Wiege des Landes Hessen entspricht“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Er sei froh über den konstruktiven, energiegeladenen Prozess, der das Wahrzeichen Marburgs aus seinem Dornröschenschlaf wecken soll. Dafür gab es zahlreiche Möglichkeiten.
„Was muss passieren, damit alle Tourist*innen und alle Marburger*innen mindestens einmal im Jahr ins Schloss gehen?“, fragte sich Ruth Fischer vom städtischen Fachdienst Kultur. In fünf Workshops probierten die Teilnehmenden unterschiedliche Wege aus, wobei alle Sinne gefordert waren. Eine Gruppe wandelte mit einem „Smellwalk“ durch Ausstellungsräume und Schlosshöfe, schnupperte an alten Türen und nach Algen riechenden Steinen. Dunkle Masken trugen die Teilnehmenden, die den Geräuschen auf der Spur waren.
Ausnahmsweise durfte eine Gruppe sogar das Türmchen für die Schlossuhr. Dabei handelt es sich um ein Gewirr aus alten Balken und Treppen, das intensiv nach Holz riecht. Zugleich konnten die Gäste an dem imposanten Uhrwerk mit seinen großen Zahnrädern sehen und hören, was es mit dem „Zahn der Zeit“ auf sich hat.
Um Geschichten des Alltags und ein Museum für alle Sinne ging es auch Christoph Otterbeck, der das Universitätsmuseum leitet. Er präsentierte klimpernde Münzen, das Megaphon des Türmers, Spielsteine, Perlen und Krauthobel: „Das Schloss war auch ein Ort, wo man isst, trinkt, diskutiert, Musik hört und Theater erlebt“, erläuterte Otterbeck.
Eine weitere Gruppe baute sich die Zukunft des Schlosses mit Lego, wobei erstaunlich futuristische Bauten mit Raumstationen, Satelliten, tropischen Pflanzen und Polizeistationen herauskamen. Zwei „Foto-Boxen“ luden die Gäste dazu ein, sich vor dem Gemälde zum Religionsgespräch und im Fürstensaal in coole Posen zu werfen und sich ein ganz eigenes Bild vom Schloss mitzunehmen.
Dazu gab es Collagen, Diskussionen und Ideen-Wände, die immer weitere Vorstellungen der Gäste über das Schloss zum Vorschein brachten: den Fürstensaal so nachstellen, dass man sehen kann, wie Landgrafen und Landgräfinnen hier einst thronten, eine nachgebaute Schlossküche, Stationen zum Anfassen, Hören und Riechen, eine Seilbahn zum Schloss, auf jeden Fall mehr Veranstaltungen – darunter auch Partys und Rave -, Orte für Pferdeknechte und Dienstmädchen, außerschulische Bildungsangebote mit der Camera Obscura, historische Werkstätten, Bildungsurlaube, Kostümführungen, Projektwochen, Bälle im Fürstensaal, Ritterfestspiele, Mittelaltermärkte und eine auffälligere Gestaltung des Eingangs zum Schloss.
In verschiedenen Diskussionsrunden und Gesprächsformaten ging es um die Frage, wie das Museum zu einem Erlebnisort werden kann. Das Problem war dabei: Es handelt sich um ein riesiges Gebäude mit sehr großen historischen Beständen. In wieweit wird es ein Schloss-, ein Stadt-, ein Universitäts- oder ein Landesmuseum?
Sammlungs- und Museumsexperte Dr. Thomas Overdick plädierte dafür, auszuwählen und sich auf eine Vision für das Schloss zu verständigen. Der mit einer Machbarkeitsstudie beauftragte Architekt Henning Meyer zeigte sich überzeugt, dass die Vielfalt der Historie abgebildet werden kann und sollte. Mehr Blick in die Gegenwart wünschte sich Geschäftsführerin Cornelia Dörr von der Marburg Stadt und Land Touristik, die in Zukunft auch den Pharmastandort Marburg thematisiert wissen möchte.
Prof. Edith Franke von der Religionskundlichen Sammlung lenkte den Blick in einem weiteren Workshop auf die Rolle der rund 30 Sammlungen der Universität. Die Religionskundliche Sammlung ist nur wenige Minuten entfernt am Fuß der Burg in der Neuen Kanzlei zu finden, stand aber bis vor 100 Jahren noch im Schloss. Der Dalai Lama wurde 2009 im Fürstensaal mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Die von ihm gesegnete Buddha-Figur steht nun in der Religionskundlichen Sammlung. Um die Menschen sowohl ins Schlossmuseum als auch in Uni-Sammlungen zu locken, könnten Erlebnisstationen auf dem Weg zum Schloss entstehen. Denkbar wäre auch, dass sich die Sammlungen in wechselnden Ausstellungen präsentieren.
„Mit den Beteiligungstagen sowie weiteren Workshops gehen Stadt und Universität neue Wege in der Entwicklung des Wahrzeichens Marburgs“, erläuterte Fachdienstleiterin Fischer zum Abschluss: „Nicht alles wird umgesetzt werden können. Doch jede Meinung ist richtungsweisend und wichtig.“
Weitere Termine im Mai, mit denen die Zukunft des Schlosses vorangebracht werden soll, sind am Freitag (17. Mai) die Tages-Exkursion „Von einem historischen Ort zum anderen“ zur Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz. Was sich für das Marburger Landgrafenschloss anbahnt, hat die Festung bereits hinter sich. Das dort vor wenigen Jahren entstandene Kulturzentrum beherbergt heute ein Landesmuseum, ein Restaurant und bietet viele Veranstaltungen. Die Anmeldung erfolgt über die Volkshochschule Marburg unter www.vhs-marburg.de/exkursion-koblenz.de.
Am Freitag (24. Mai) gibt es ein Workshop „Inklusion und Teilhabe“ mit der Frage: Wie kann das Schloss für Menschen mit und ohne Behinderung –
unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und Bildung – attraktiver werden? Welche Hürden gibt es momentan? Anmeldung und Fragen beantwortet landgrafenschloss@marburg-stadt.de.
* pm: Stadt Marburg