Betroffen gelassen: „AND NOW HANAU“ in Marburg

"AND NOW HANAU" im Rathaus

Das Theaterstück "AND NOW HANAU" wurde im Rathaus aufgeführt. (Bild: Amelie Berting)

Das Theaterstück „AND NOW HANAU“ kam nach Marburg. Die beiden Vorstellungen fanden am Donnerstag (18. April) und Freitag (19. April) im Rathaus statt.

In einem minimalistischen Bühnenbild saßen sich Publikum und Darstellende zunächst von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Entspanntes Murmeln füllte den Raum, bis ein rhythmisches Klacken hinter den Stuhlreihen die Rund 60 Personen verstummen ließ. Die Darstellenden kurbelten die Scheinwerfer langsam nach oben.

Blass weißes Licht schien zwischen den Betrachtenden nach vorn und erhellte die Gesichter der vier Darstellenden. Mit klarer Stimme zählten sie die Sorgen der letzten Jahre auf: Die Angst vor Krieg, Erdbeben, der Pandemie zum Beispiel. Währendessen mischten sich neun Namen dazwischen: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov.

Die Angst davor, ermordet zu werden, steht bei den wenigsten Deutschen an erster Stelle. Für viele ist sie jedoch schon längst Realität. Tuğsal Moğul setzt sich in seinem Stück mit den Auswirkungen von Rechtsextremismus auseinander, indem er das Attentat in Hanau am 19. Februar 2020 verarbeitet.

Sein Stück stützt sich auf den Untersuchungsausschuss, der durch die „Initiative 19. Februar Hanau“ in Zusammenarbeit mit „Forensic Architecture“ initiiert wurde. Die vier Darstellenden sprachen aus der Perspektive der Opfer und ihrer Hinterbliebenen. Immer wieder schlüpften sie in andere Rollen und brachten ihre Trauer, ihre Angst und ihre Enttäuschung gegenüber den deutschen Behörden zum Ausdruck.

In einer Schweigeminute zum Gedenken der Opfer erhoben sich zunächst einzelne aus dem Publikum, bis alle gemeinsam standen. Die Geschichten der Opfer endeten abrupt, doch ihre Hinterbliebenen begegnen auch heute Diskriminierung anstatt Unterstützung.

Mit jeder fortschreitenden Minute aus der Tatnacht ergeben sich mehr offene Fragen. Gewünscht wird sich keine Erklärung, warum es so kam, sondern wie eine solche Katastrophe erst entstehen konnte. Von verschlossenen Notausgängen am Tatort über die unbesetzten Notruftelefone bis hin zu den chaotischen Abläufen innerhalb der Polizeikommunikation gibt das Stück hautnahe Einblicke in die Untersuchungen der Familien.

Gemeinsam erschufen alle vier Darstellenden ein bewegendes Stück, das alle Anwesenden in den Bann zog. Immer wieder liefen sie durch die Stuhlreihen, nahmen den Raum ein und machten deutlich, was es bedeutet mit Hass, Diskriminierung und Rassismus konfrontiert zu werden. Es bleibt daher zu hoffen, dass das Stück noch mehr Menschen erreicht, um die Erzählperspektive zu erweitern.

* Amelie Berting

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