Als ich 1977 nach Marburg kam, existierte am Steinweg noch der „Club E“. In den 80er und 90er Jahren war dort dann das „Slot“.
Der „Club E“ war 1963 eröffnet worden. In den ersten Jahren traten dort Bands auf und brachten die Beatmusik nach Marburg. Beinahe wären angeblich sogar die berühmten Beatles nach Marburg gekommen, hieß es damals einmal.
Für die erste Nachkriegsgeneration war der „Club E“ der Ort, wo man einander kennenlernen und zu seiner Lieblingsmusik tanzen konnte. Die gleiche Funktion erfüllte später das „Slot“. Dort allerdings wurden bald anstelle der Schallplatten aus Vinyl CDs aufgelegt.
Ebenso wie zuvor bereits der Club, befand sich auch die Diskothek im Keller des Gebäudes „Steinweg 9“. Vom Steinweg aus gelangte man durch einen sehr niedrigen Stollen und über mehrere Stufen nach unten. Die Stehe betrug dabei kaum mehr als 1,65 Meter.
Mein Mitrehabilitant Jürgen nannte den Club deshalb „Teeny-Disco“, weil nur kleine Mädchen den Gang entlanggehen konnten, ohne sich zu bücken. Größere Männer mussten wirklich wahre Größe besitzen, sich vor dem Clubbesuch vor den Frauen zu verbeugen.
Im Club selbst befanden sich zwei Etagen untereinander. In einer wurde getanzt, in der anderen getrunken und geknutscht. Wichtigste Funktion sowohl des „Club E“ wie auch später des „Slot“ war das Kennenlernen.
In der zweiten Hälfte der 80er Jahre kannte ich gleich mehrere Paare, die sich im „Slot“ kennengelernt hatten. Da ich mich in dem niedrigen Zugang aber sehr tief bücken musste, war Ich selber nur ein einziges Mal im „Club E“ und höchstens zweimal im „Slot“. Häufig berichteten mir jedoch Bekannte von anderen Bekannten, die sie im „Slot“ gesehen hatten, wie sie mit jemandem herumturtelten.
Meine damalige Vorleserin ging Mitte der 80er Jahre häufig ins „Slot“. Dort traf sie dann jedoch zu viele Männer, die sie sehr gut kannten. Ihr wurde es zunehmend unangenehm, auf der Tanzfläche gleich mehreren Typen zu begegnen, die sie vor dem Hintergrund eigener intimer Erfahrungen argwöhnisch bei der Anbahnung der nächsten Liebschaft beobachteten.
Anfang der 90er Jahre wollte der Wirt des „Slot“ die Disco an einen neuen Betreiber weiterverkaufen, wie er es zuvor bereits erfolgreich mit vielen anderen Marburger Kneipen wie beispielsweise dem alten „Quodlibet“ an der Gutenbergstraße gemacht hatte. Allerdings waren die Besuchszahlen des „Slot“ so hoch, dass er keine Interessierten fand, die ihm genug für das „Slot“ boten. So behielt er die Disco, bis die Zahlen schließlich absanken.
Angesichts des Besuchsrückgangs modernisierte er das „Slot“ mit der Absicht, es dann endgültig zu verkaufen. Doch wieder stiegen die Besuchszahlen so stark, dass der Betreiber diese Goldgrube dann lieber behielt.
Schließlich war es wohl die geringe Stehhöhe des Stollens, die dem „Slot“ das Aus bescherte. Aus feuerpolizeilichen Gründen war die bauliche Situation nicht gerade günstig für den Betrieb einer – zumindest an jedem Wochenende immer wieder – völlig überfüllten Disco. Zudem wurden draußen vor den Toren Marburgs in Caldern sowie am Südbahnhof neue Diskotheken eröffnet, die mehr Platz und weniger Probleme hatten.
Der „Club E“ jedoch wurde später sogar Thema einer „Marburger Stadtschrift“. Das „Slot“ mag manchen Marburger Paaren auch noch in guter Erinnerung geblieben sein, die sich dort das erste Mal getroffen haben. Für sie alle gehört das Haus zwischen Steinweg und Pilgrimstein wohl immer noch zu den legendären Lokalen in Marburg.
* Franz-Josef Hanke
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