Nur vage sind meine Erinnerungen an die „Alte Post“. Dennoch möchte ich auch an dieses Lokal erinnern.
Die „Alte Post“ befand sich am Steinweg auf der Lahnseite schräg gegenüber und etwas oberhalb der Gartenlaube. Noch etwas weiter bergauf war damals der legendäre „Club E“ sowie später das „Slot“.
Vor 1960 muss dort einmal ein Hotel gewesen sein. Vor der Einweihung des Gebäudes bahnhofstraße 6 war es wohl auch einmal das Postamt für Marburg. Davon kündet noch heute ein Schriftzug am Gebäude.
1977 befand sich im „Post-Keller“ eine Diskothek. Oben in der „Alten Post“ verkehrten vor allem Studentinnen und Studenten. Das Mobiliar war rustikal und gemütlich.
Der Boden bestand aus Bretterdielen. Die Tische waren groß und poliert. Die Stühle waren ebenfalls aus Holz sowie eher altertümlich und bequem.
Vom tiefer gelegenen Teil des Steinwegs aus betrat man über zwei Stufen einen kahlen Flur. An dessen hinterem Ende führte eine Treppe hinab in die Disco. Über zwei Stufen auf der rechten Seite des Gangs erreichte man den Schankraum der „Alten Post“.
Damals war der Raum von Zigarrettenqualm und dem Geräusch der vielstimmigen Gespräche erfüllt. Das Publikum war überwiegend männlich. Viele erschienen in der bunten Couleur ihrer Studentenverbindungen.
Vereinzelt kamen auch Studentinnen mit. Schließlich traf man dort auch jüngere Leute an, die sich vom Verbindungswesen eher fernhielten. In Gruppen von fünf bis acht Personen saßen die meisten an den Tischen zusammen und tranken Bier.
Dazu gab es in der „Alten Post“ ein besonderes Angebot. Es trug den Namen „Saufmaschine“. Diese „Saufmaschine“ bestand aus einem Fünf-Liter-Krug Bier, aus dem die Gäste am Tisch gemeinsam mit Gummischläuchen tranken.
Hygienisch war diese Form gemeinschaftlicher Besäufnisse ganz gewiss nicht. Doch „Alkohol desinfiziert“, lautete die allfällige Antwort auf derartige Einwände. Dann wurde gesoffen, was die Schläuche hielten.
Eine andere Attraktion der „Alten Post“ war die Wirtin. Ganz jung war sie zwar nicht mehr, doch dafür nett und durchaus hübsch. Mitte 30 mag die rothaarige Frau wohl gewesen sein, der die meisten Männer dort mehr oder minder unverhohlen den Hof machten.
Ihr Ehemann, der wohl gute 25 Jahre älter sein mochte, war eifersüchtig und bewachte seine Frau. Sie wiederum genoss die Aufmerksamkeit der jungen Männer ganz offensichtlich und bekundete das hin und wieder durch leichte Berührungen mancher Stammgäste. Durch diese Spannung zwischen Wirtin und Wirt entstand im Lokal auch eine gewisse erotische Spannung bei manchen Gästen.
All das nahmen ich und meine Mitrehabilitanten 1977 und 1978 mit einer gewissen Belustigung wahr. Oft waren wir nicht in der „Alten Post“, aber oft genug, um die eine oder andere berührende Sympathiebekundung der Wirtin bei Abwesenheit ihres Mannes abzubekommen. Wirkliche Flirts waren das aber garantiert nicht.
Wann die „Alte Post“ dicht gemacht wurde, weiß ich nicht genau. Aber es muss schon Jahrzehnte her sein. Dennoch erinnerte ich mich kürzlich beim Vorübergehen an dem alten Postgebäude auch an dieses legendäre Lokal.
* Franz-Josef Hanke