Café Barfuß: Eine echte Marburger Institution

Im Herbst 1978 nahm ich mein Studium auf. Bereits im ersten Semester war das „Café Barfuß“ eine wichtige Anlaufstelle für mich.
Die niedrige Schwelle von der Barfüßerstraße hinein ins Cafe konnten auch Rollstühle überwinden. Darum traf sich meine Orientierungseinheit (OE), der auch zwei Rollstuhlfahrer angehörten, immer im „Café Barfuß“. Gleiches galt später aus dem selben Grund auch für meine Praktikumsgruppe, zu deren Treffen sich meist auch unser Praktikumsrichter hinzugesellte.
Seither ist diese gelungene Mischung aus Kneipe und Café im Haus Barfüßerstraße 33 für mich eine feste Marburger Institution. Wir haben dort gemeinsam gefrühstückt und Kaffee getrunken, zu Mittag gegessen oder abends beim Bier beieinander gesessen. Dort haben wir auch über anstehende und bestandene Klausuren gesprochen oder über schlechte Noten gejammert.
Als ich das „Café Barfuß“ kennenlernte, war es gerade erst frisch eröffnet worden. 1978 hatte Wolfgang Richter es eröffnet, der später eine ganze Reihe von Kneipen und Diskotheken in Marburg betrieb. Dazu zählen das erste „Quodliebet“ an der Gutenbergstraße ebenso wie das „Slot“ am Steinweg oder die „Kult“-Hallen an der Temmlerstraße.
Richters Rezept bestand darin, Lokale in einem konsequent umgesetzten Stil neu zu eröffnen und nach erfolgreicher Markteinführung später weiterzugeben. Besonders gelungen ist ihm das bereits im Jahr 1978. Das Konzept des „Café Barfuß“ ist seit mehr als 40 Jahren im Wesentlichen immer noch das Gleiche wie bei der Eröffnung.
Seit 1978 hat es seinen studentischen Charakter kaum verändert. Die Preise sind eher günstig und das Speisenangebot eher bodenständig. Die Öffnungszeiten sind auch noch ähnlich wie vor 44 Jahren.
Geöffnet wird das Lokal morgens um 10 Uhr. Am Wochennende schließt es erst um 2 Uhr, während es unter der Woche schon eine Stunde vorher dichtmacht. Zwischen 10 am Morgen und 1 Uhr am darauffolgenden Tag war es auch bereits 1978 geöffnet.
Im ersten Semester bereits trafen wir uns sonntagsmorgens ab 10 Uhr manchmal zum Frühstück im „Café Barfuß“. Einige gingen mittags wieder, während andere bis zum Abend blieben. Im Tagesverlauf änderte das Lokal seinen Charakter dann allmählich von einem Frühstückscafé über ein günstiges Speiselokal hin zu einer Bierkneipe.
Wir saßen und aßen. Wir diskutierten und dinierten. Wir tranken und schwankten schließlich spätabends heim.
Studentinnen und Studenten aller Fachbereiche kamen und gingen. Manchmal brachte auch jemand mal seine Eltern mit. Mitunter verirrten sich auch Touristinnen oder Touristen und vereinzelte Professoren in das Lokal.
Das Interieur des „Café Barfuß“ entsprach damals ganz dem Zeitgeist der späten 70er Jahre: An den Wänden hingen Kaffeesäcke aus Jute als eine Art antikolonialistischer Tapete. Ein Dielenfußboden betonte den urigen Charakter des Lokals.
An den Wänden entlang standen gepolsterte Holzbänke. Zu den Gängen hin standen gepolsterte Holzstühle an soliden Holztischen. Das gesamte Innere atmete den Kaffeeduft der „Dritte-Welt-Bewegung“.
War das „Café Barfuß“ in den Anfangsjahren noch völlig verräuchert vom Zigarrettendunst, so wurde es gute 20 Jahre später – wie alle Gaststätten in Hessen – eine rauchfreie Zone. Die Musik mag sich ein wenig von Rock und Folk verändert haben hin zu moderneren Rhythmen, aber sie blieb eher im Hintergrund und übertönte den Geräuschpegel der Gespräche nur selten. Einander Treffen und miteinander Reden war und ist wohl das Wichtigste für die meisten Gäste dort.
Im „Café Barfuß“ feierte ich Anfang der 2000er Jahre den Geburtstag eines Freunds mit einem Sektfrühstück ebenso wie wenige Jahre später den gelungenen Vortrag einer Menschenrechtlerin im Marburger Weltladen mit der Referentin und dem Organisator nach dem Ende der Veranstaltung. Gelegentlich aß ich dort günstig ein Nudelgericht oder einen Eintopf. Einmal führte ich einen Besucher aus Norddeutschland mit seiner Familie dorthin aus, weil mein Kollege sich an einen Besuch etliche Jahre zuvor noch wohlwollend erinnerte.
Inzwischen bezeichnet sich das „Café Barfuß“ als „eine der ältesten Kneipen Marburgs“. Trotz vorsichtiger Renovierungen und der Besitzerwechsel ist es unbestreitbar eins der wenigen Lokale, die sich über Jahrzehnte hinweg in Stil und Ausstrahlung treu geblieben sind. Nicht nur deshalb gehört es garantiert zu den legendären Lokalen in Marburg.

* Franz-Josef Hanke

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