Wir sind ausgeliefert: Eine Busfahrt mit der 383 geht an die Nerven

„Diesen langen Schulweg würde Ich meinem Kind niemals antun“. Diesen Satz bekommen viele Eltern von den Grundschullehrern ihrer Kinder zu hören.
Gemeint ist die Fahrt mit dem Überlandsbus 383 von einer gut 20 Kilometer entferneten Stadt nach Marburg. Nach 7 Jahren Erfahrung mit genau dieser Buslinie kann Ich guten Gewissens behaupten, dass die Länge der Fahrt nicht das einzige Problem auf dem Schulweg ist.
Ein erstes Problem ensteht bereits an der mehr als überfüllten Bushaltestelle. Um als eine der ersten den Bus betreten zu können und somit die größte Chance auf einen Sitzplatz zu haben, stehst du ganz vorne an dem Ort, an dem die 383 ihre Türen öffnet.
Doof ist nur, dass du nicht die einzige Person bist, die das durchschaut hat. Dein Platz wird dir streitig gemacht von einem Haufen Fünftklässler. Deretwegen bangst du darum, überfahren zu werden, da sie nicht dazu in der Lage sind, an einer vollbefahrenen Straße still stehen zu bleiben und dich dauernd anschubsen.
Der Bus erscheint in der Regel mit fünf Minuten Verspätung, die du erfahrungsgemäß in deinen Zeitplan eingerechnet hast. Im Winter, wenn du dich zitternd nach nichts als Wärme sehnst, können es auch einmal 10 Minuten werden, wenn die 383 überhaupt erscheint und nicht dem völlig überraschenden und hochgefährlichen Schneeregen Deutschlands erliegt.
Öffnen sich die Türen schließlich vor deiner Nase, wirst du von einer Horde wilder Tiere in den Bus geschoben und kannst von Glück sagen, einen Sitzplatz zu bekommen. Den Wunsch, dabei nicht neben jemandem zu landen, der stinkt oder mit dem Kopf auf deiner Schulter einschläft, hast du vor Jahren aufgegeben.
Stattdessen findest du dich damit ab und freust dich, nicht zwischen zahllosen schwitzenden Menschen im Stehen Halt an einer unhygienischen Haltestange suchen zu müssen. Im Sitzen hast du ausßerdem immerhin die Gelegenheit, dir aus einem Blatt Papier einen Fächer zu bauen und dir damit – zumindest im Sommer – nach Abkühlung lechzend Luft zuzufächern. Wirklich hilfreich ist das in dem heißen und stickigen Bus meist aber nicht.
Alles, was du davon hast, ist ein übler Krampf im Handegelenk, den du den Rest des Tages ertragen musst. Noch unangenehmer wird es allerdings, wenn das Wetter wieder auf typisch Deutsch umschaltet und der gesamte Bus unter Wasser steht. Dann stapeln sich alle deine Taschen auf deinen Knien. Will der Mensch neben dir aussteigen und du musst dafür aufstehen, wird das zum Staatsakt.
Als Fünftklässler empfindest du bei der 45 minütigen Fahrt noch so etwas wie Spaß. Sei es bei dem Versuch, in den Kurven stehen zu bleiben ohne sich festzuhalten oder bei lautstark und für alle hörbar geführten Konversationen mit Freunden.
Nach wenigen Jahren jedoch versiegt der Spaß und die Busfahrt wird zur nervigen Routine mit dem einzigen Ziel, sie ungestört damit zu verbringen, auf voller Lautstärke Rapmusik zu hören und damit das Geschrei besagter Fünftklässler zu übertönen.
Ein weiteres Problem ensteht, wenn ein bekanntes Gesicht in den Bus einsteigt, sich neben dich setzt und dich erwartungsvoll anblickt. Aus Freundlichkeit und schlechtem Gewissen bist du dazu gezwungen, einen Ohrstöpsel aus dem Ohr zu nehmen und zumindest so zu tun, als seiest du ebenfalls an einer Unterhaltung interessiert.
Eigentlich wartest du aber sehnsüchtig darauf, dass dein Sitznachbar die eigenen Kopfhörer auspackt. Ist das geschehen oder ist es dir gelungen, ihm dein Desinteresse so schonend wie möglich beizubringen, bleibt es dir dennoch verwährt, die Busfahrt zu genießen.
Nun musst du nämlich in jeder der zahlreichen Kurven um dein Leben fürchten, da der Busfahrer seinen Führerschein scheinbar im Inernet gekauft hat und Geschwindigkeitsbeschränkungen ein Fremdwort für ihn darstellen.
Mir ist durchaus bewusst, dass zahlreiche Menschen jeden Tag auf die 383 angewiesen sind. Und Ich versuche ehrlich, meine Dankbarkeit für die Busfahrer aufzubringen, die jeden Tag diesen vermutlich grauenvollen Job verrichten.
Zudem bietet mir die lange Busfahrt in meinem Schualltag immerhin 1 Stunde und 30 Minuten die Möglichkeit, meine Ohren mit meiner Musik zu schädigen.
Aber nach all den Jahren Erfahrung kann Ich sagen: eine Busfahrt mit der 383 ist meist kein Geschenk. Daran konnte auch der als Weihnachtsmann verkleidete Busfahrer letzten Winter nichts ändern.

* Elisa Tittl

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