Viel tiefer: Mehr Mikroplastik im Boden als gedacht

Plastikabfall gelangt in viel tiefere Schichten des Bodens als bislang angenommen. Das haben Marburger Geographen herausgefunden.
Dafür haben sie die Lahnauen in Mittelhessen untersucht. „Natürliche Ablagerungsprozesse allein können das Eindringen in tiefe Schichten nicht erklären“, schrieben die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Environmental Pollution“. Dass Plastikreste die Meere vermüllen, hat sich herumgesprochen –
schätzungsweise erreichen jedes Jahr mehr als 5 Millionen Tonnen Kunststoffabfall die Ozeane, das entspricht fast dem hundertfachen Gewicht des Luxusdampfers „Titanic“.
Doch die Verschmutzung macht nicht am Meeresufer Halt. Wenn der Müll in Flüssen bis zu deren Mündung ins Meer treibt, passiert er Auenlandschaften und Überschwemmungsgebiete.
„Es liegt nahe, dort eine systematische Anhäufung von Plastikpartikeln zu vermuten“, erklärte der Marburger Geograph Collin Weber. er ist einer der beiden Verfasser der aktuellen Studie.
Wieviel Kunststoff findet sich in den Böden von Flussauen? Wie ist er räumlich verteilt, was sind die Ursachen dafür?
Diese Fragen haben der Marburger Geograph Prof. Dr. Christian Opp und sein Doktorand Weber untersucht, indem sie an verschiedenen Stellen entlang der Lahn in Mittelhessen Bohrungen anstellten, um Bodenproben zu entnehmen. Aus einer Tiefe bis zu zwei Metern gewannen sie insgesamt 120 Proben, die sie nach Kunststoff durchsuchten.
„Nach unserer Kenntnis ist dies die erste Untersuchung, die Plastik in Bodenprofilen bis zwei Meter unter der Oberfläche aufspürt“, erklärte Studienleiter Opp. Die Wissenschaftler unterschieden die gefundenen Partikel nach ihrer Größe: Grobes Mikroplastik misst zwei bis fünf Millimeter, während die Größe von Mesoplastik zwischen einem halben und zweieinhalb Zentimetern liegt.
Im Schnitt fanden die Forscher zwei Kunststoffteilchen pro Kilogramm Erde, wobei das Maximum bis zu viermal höher liegt. Alles in allem kommt in den Lahnauen weniger Plastik vor als in Flüssen, Flussbetten und Ackerböden.
Von der Quelle bis zur Mündung in den Rhein nimmt der Plastikgehalt zu. Die häufigste Kunststoffsorte ist Polyethylen, wie es vor allem für Verpackungen verwendet wird, gefolgt von Polypropylen und Polyamid. „Diese drei gehören zu den gebräuchlichsten Kunststoffarten, die den größten Teil der Kunststoffproduktion ausmachen“, schrieben die Autoren.
Man sieht den Partikeln an, wenn sie lange im Boden liegen – sie sind dann ausgeblichen und teilweise abgebaut; frisches Plastik findet sich eher in Äckern als auf Wiesen oder im Uferbereich.
„Das legt nahe, dass es durch die Landwirtschaft zu einem ständigen Neueintrag von Kunststoff kommt“, legte Weber dar. Zwar enthält die oberste Bodenschicht die meisten Plastikpartikel, jedoch kommt auch bis zu einer Tiefe von mehr als 80 Zentimetern noch vereinzelt Kunststoff vor.
fInsbesondere in Ufernähe, aber auch unter Weideland erreicht Kunststoff Tiefen von gut über einem halben Meter. „Das ist tiefer, als bisher angenommen wurde“, hob Weber hervor. Das natürliche Ablagerungsgeschehen alleine reiche nicht aus, um das Vorkommen in derart tiefen Schichten zu erklären, betonten die Autoren.
„Plastikpartikel können auch vertikal verlagert werden“, konstatierte Opp. Bei Ackerland sammle sich der Kunststoff hingegen wenige Handbreit unter der Oberfläche, weil der verdichtete Boden ein tieferes Eindringen verhindere.
Opp lehrt Geographie an der Philipps-Universität. Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologiehat die Forschungsarbeit gefördert.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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