Gut 4.500 Menschen haben am Samstag (22. Februar) in Marburg gegen Rassismus demonstriert. Im Gedenken der Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau zogen sie in einem Schweigemarsch durch die Stadt.
Vertreter der jüdischen Gemeinde hatten demonstrativ ihre Kippa aufgesetzt. Karnevalisten trugen ein Spruchband mit der Parole „Helau gegen Hass –
Vielfalt statt Rassismus“. Auf der Straße waren sehr viele Menschen die sonst nicht an Demonstrationen teilnehmen.
„Hanau liegt nur 100 Kilometer von Marburg entfernt“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bei der Abschlusskundgebung auf dem überfüllten Marktplatz. Am Mittwoch (19. Februar) hatte ein 43-jähriger Mann dort zehn Menschen und danach auch sich selbst erschossen. Grund für seinen Anschlag auf eine Schischa-Bar und ein Café waren rassistische und frauenfeindliche Gewaltphantasien.
Mehrmals wwurden die Namen der Ermordeten genannt. „Sie alle gehören zu uns“, erklärte Spies. „Sie sind Hanauer und Kurden, Hanauer und Türken, Hanauer und Roma oder Bulgaren, Hanauer und Deutsche.“
Der Hass des Täters habe Quellen, aus denen er gespeist worden war. Diese Quellen seien rechtspopulistische Ideologien und Verschwörungsmythen. Darum dürfe es keine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten geben, forderte Spies unter tosendem Beifall.
Wichtig sei vielmehr der Zusammenhalt der demokratisch gesinnten Bevölkerung, stellte Spies fest. „Wir stehen zusammen“ erklärte er, woraufhin die menge diesen satz mehrmals wiederholte.
In Marburg gebe es „keinen Raum für Rassismus“, fuhr der Oberbürgermeister unter lautem Beifall fort. „People of Colour gehören zu uns.“ Niemand solle Grund haben, sich vor rassistischen Übergriffen zu fürchten.
Goarik Gareyan-Petrosyan lebt seit 28 Jahren in Marburg. Die Vorsitzende des Ausländerbeirats der Stadt Marburg sprach offen über ihre Sorgen. Immer wieder habe sie in den vergangenen Jahren Mahnwachen gegen Rassismus organisiert und gehofft, es würde die letzte Mahnwache sein; doch schon wieder müsse sie über den Tod von Menschen allein wegen ihrer Herkunft oder Hautfarbe trauern.
Dekan Burkhard Zurnieden von der Evangelischen Kirche Marburg erklärte seine Solidarität und sein Mitgefühl mit den Betroffenen der Bluttat. „Christen, Juden und Muslime halten zusammen, denn wir alle sind Menschen“, erklärte er. Wer andere Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder Herkunft herabwürdige, der verhalte sich zutiefst unmenschlich und respektlos.
Mit dem Lied „Imagine“ von John Lennon klang die Kundgebung auf dem Marktplatz aus. Noch einmal forderte Oberbürgermeister Spies die Anwesenden auf, bei rassistischem Verhalten nicht wegzuschauen, sondern den Betroffenen beizustehen. Das gelte „nicht nur heute, sondern jeden Tag“, erklärte er unter langanhaltendem Applaus der Anwesenden.
* Franz-Josef Hanke
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