Der Terroranschlag am Mittwoch (19. Februar) in Hanau hat Entsetzen, Trauer, Wut und Mitgefühl ausgelöst. Außerdem ist eine offene Debatte über Rassismus im Alltag aufgekommen.
Gut 4.500 Menschen haben am Samstag (22. Februar) in Marburg gegen Rassismus demonstriert und damit ihre Solidarität mit den Opfern bekundet. Das ist „die gute Nachricht der Woche“.
Doch das Engagement gegen Rassismus darf keine „Eintagsfliege“ bleiben. In dieser Forderung sind sich viele Menschen in Marburg einig. Wie aber wird es weitergehen in den kommenden Wochen und Monaten?
Haben die Leute genügend Geduld, auch jemandem zuzuhören, der Deutsch nur gebrochen spricht? Werden dunkelhäutige Bewerber bei der Wohnungssuche nicht benachteiligt? Bekommen auch Frauen mit Kopftuch den gleichen Respekt wie modisch gekleidete Damen im Businessdress?
Bei der Wohnungssuche mit meinem Bekannten aus Eritrea habe ich auch in Marburg ernüchternde Erfahrungen machen müssen. Arbeit hat er inzwischen gefunden, doch erhält er dafür nur den Mindestlohn von 9,58 Euro pro Stunde. Von einem Tag auf den anderen schicken die Firma ihn als „Leiharbeiter“ nach Hause, wenn sie ihn nicht mehr „brauchen“.
Menschen sind „Material“ in diesem neoliberalen Wirtschaftssystem. Das gilt nicht nur für Personen mit Migrationshintergrund. Auch eine Behinderung erschwert die Arbeitssuche enorm.
Rassismus ist ein strukturelles Problem in einer Gesellschaft, die „Leistung“ lobt und Arbeitskräfte bis zum Burnout verschleißt. Die Würde jedes Menschen ist da nicht viel mehr als ein Lippenbekenntnis bei Sonntagsreden Vielfalt heißt da meist nur, „Mangelberufe“ mit herbeigekarrten „Arbeitssklaven“ aus anderen Ländern zu erledigen.
Bei Besuchen in der Ausländerbehörde eines benachbarten Landkreises fühlte ich mich wie im Bühnenbild zu Dante Aligheris „Inferno“. Kalt und hallig ist der Raum, wo alle alles mithören, während Kleinkinder schreien vor Angst angesichts dieser bedrückenden Atmosphäre. Datenschutz gilt dort anscheinend nicht für „Aufländer“.
Die eigene Würde gewinnt ein Mensch, indem er sich für die Würde anderer einsetzt. Das hat Nelson Mandela gezeigt, indem er seine Gefängniswärter mit Respekt behandelte und schließlich ihr Freund wurde. Möge Madiba auch Marburg mehr Menschlichkeit lehren!
* Franz-Josef Hanke