Hardrocker und Historiker: Bauforscher Elmar Altwasser gestorben

Hirschberg

Elmar Altwasser sanierte unter anderem dieses Haus am Hirschberg. (Foto: Alexandra Appel)

Er war ein echtes Original und ein bedeutender Wissenschaftler. Im Alter von 76 Jahren ist Elmar Altwasser am Sonntag (24. November) gestorben.

„Abends war er der Letzte in der Kneipe und am Morgen danach der Erste auf der Baustelle“, berichtete ein ehemaliger Mitarbeiter des Bauforschers einmal bewundernd. Der stämmige Mann mit dem grauen Pferdeschwanz pflegte sein proletarisches Image, weshalb er auch eine angebotene Promotion rundweg ablehnte. Dabei hat er im Laufe der Jahre zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht.
Geboren wurde Altwasser 1948 in Lemgo. Aufgewachsen ist er im ostwestfälischen Horn-Bad Meinberg. 1969 kam er zum Studium nach Marburg.
Hier gründete er 1976 gemeinsam mit Studierenden aus den Fachgebieten Archäologie, Kunstgeschichte, Geschichtswissenschaft, Medizingeschichte, Stadt- und Siedlungsgeographie, Volkskunde und Sozialgeschichte die „Marburger Arbeitsgruppe für Bauforschung und Dokumentation“. Zunächst hatten die jungen Leute im Auftrag der Stadt Marburg entlang der neu eingerichteten Fußgängerzonen in der Neustadt und in der Barfüßerstraße bodenarchäologische Untersuchungen durchgeführt, doch schon bald lenkten sie ihr Interesse auch auf die Häuser, die daneben an den Straßen der Oberstadt standen. Dabei erkannten sie, dass die Baugeschichtliche Dokumentation der Häuser eine multidisziplinäre Zusammenarbeit erforderte.
1975 begannen sie damit, historische Fachwerkhäuser beispielsweise am Hirschberg zu sanieren. Noch 1969 hatte der damalige Oberbürgermeister Georg Gaßmann erwogen, die gesamte Oberstadt abreißen und durch „moderne“ Bauten wie auf dem Richtsberg ersetzen zu lassen. Dank Altwasser und seinen Mitstreitern setzte sich aber Mitte der 70er Jahre in Marburg die Erkenntnis durch, dass der historische Baubestand einen unermesslichen Reichtum darstellte.
Neuartige Prüfverfahrden wie die sogenannte „Dentrochronologie“ verhalfen ihren Argumenten dabei zum Durchbruch. Anhand der Jahresringe in Holzbalken ließ sich mit dieser Methode das Alter von Fachwerkhäusern bis aufs Jahr genau bestimmen. Der Erhalt der Oberstadt hatte offenbar nur auf Altwasser und seine Mitstreiter gewartet.
Gemeinsam mit Ulrich Klein und anderen Mitstreitenden gründete Altwasser deshalb im Dezember 1984 das „Freie Institut für Bauforschung und Dokumentation“ (IBD) in Marburg. Seiit 1983 veröffentlichten beide ihre Forschungsergebnisse in der „Marburger Schriftenreihe zur Bauforschung“. Bundesweit engagierten sie sich fortan für den Erhalt historischer Häuser in Fachwerkbauweise wie auch aus Stein.
Altwassers Humor spiegelt sich in einem Hörfunkbeitrag wider, der an einem 1. April im Hessischen Rundfunk (HR) und im damaligen „Deutschlandsender Kultur“ ausgestrahlt wurde. Gemeeinsam mit seinem Mitstreiter Klein berichtete er bei einem gemütlichen Gläschen Wein vor dem Mikrofon über Ausgrabungen in Sickergruppen und anderen Ansammlungen von Fäkalien: „Die Kulturgeschichte der Scheiße ist ja noch nicht geschrieben“, lautete damals sein erster Satz.
Nach Ausstrahlung des Beitrags durfte das Publikum raten, ob es sich dabei um einen Aprilscherz handelte. Aber alles, was Altwasser und Klein über das Stochern in Exkrementen berichtet hatten, war wahr. Das reichte von der Zuordnung von Speisen anhand der dort gefundenen Körner bis hin zu Knochen, die auf die Arbeit eines Chirurgen in unmittelbarer Nachbarschaft hindeuteten.
Gerne trat Altwasser gelegentlich auch als Schlagzeuger mit der „legendärsten Altherren-Band Marburgs“ auf, wie er selbst die Mick-Schwarz-Band bezeichnete. Zudem war er bis zuletzt als Schriftführer des Tierschutzvereins Marburg und Umgebung aktiv. Ehrenamtlich betreute er dessen Info- und Beratungstelefon.
Mit Altwasser verliert Marburg ein weiteres Original, das sich bewusst allen Schubladen verweigerte. Zwischen Hardrock und Tierschutz, Bauforschung und dem Ferienhaus in Spanien führte er das Leben eines Bohemien ebenso wie das des fleißigsten Bewahrers historischer Gebäude in Marburg und weit darüber hinaus. Bei einer Stadtführung in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt berichtete der dortige „Stadtbilderklärer“ immer noch begeistert davon, wie er Jahre zuvor gemeinsam mit Altwasser die historische Synagoge wiederhergerichtet habe.

* <a href=“http://marburg.news/team/fjh“>Franz-Josef Hanke</a>

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