Einen Blick in die Zukunft des Landgrafenschlosses haben Planer Vertreterinnen und Vertretern von Stadt, Land und Philipps-Universität gewährt. Das Planungsbüro empfiehlt ein Besuchszentrum, ein Schlosscafé und einen Schlossplatz.
Das Marburger Landgrafenschloss soll zu einem Museums-, Kultur- und Erlebnisort werden: Wie das einmal aussehen könnte, zeigt das Zukunftskonzept des Büros „Space4“, das vor dem Beirat und dem Kuratorium zur Schlossentwicklung vorgestellt wurde. Dazu gehören ein Besuchszentrum, ein Schlosscafé, Aufzüge und ein neues Raumkonzept.
Schon der Empfang der Schlossbesucher*innen wird in dem visionären Konzept ganz neu konzipiert: Ein Besuchszentrum als ersten Anlaufpunkt schlagen die Architektinnen und Architekten des – von der Philipps-Universität beauftragten – Büros – in Form eines Neubaus zwischen dem Schlosspark und der Burg am Rande des heutigen Parkplatzes – vor. Denkbar wäre auch ein Zentrum auf der Nordterrasse.
Dabei orientieren sich die Planungen an den Dimensionen der historischen Bebauung, die es früher an diesem Ort gab. So stand einst eine Schmiede am Rand des Parkplatzes und ein Wirtschaftsgebäude auf der Rückseite des Schlosses. Das Zentrum soll Platz für Informationsschalter, Museumsshop, Warte- und Medienraum, sanitäre Anlagen und Schließfächer bieten.
Zugleich soll das Landgrafenschloss in Zukunft „wieder mehr in seiner Gesamtheit mit dem Wilhelmsbau, dem Schlosspark und dem Schlossplatz wahrgenommen werden“, erläuterte Henning Meyer von „Space4“ bei der Präsentation. Dafür soll sich der heutige Parkplatz vor der Stipendiaten-Anstalt nach historischem Vorbild wieder zu einem echten Vorplatz wandeln, auf dem die Gäste flanieren und sich ausruhen können, wo aber auch Märkte und Theater stattfinden könnten. Auch das Areal rund um das Schloss könnte mit „Fledermaus-bänken“, „Kunst am Schlossberg“ und Spielelementen belebt werden.
Neu aufgeteilt werden sollen die Räume der Burg: Der Fürstensaal, der als einer der größten und schönsten weltlichen Säle der europäischen Gotik gilt, soll mehr als bislang Teil des Schlossrundgangs mit wechselnden Ausstellungen werden. Feiern, Bankette, Foren, Podiumsdiskussionen, Konferenzen und Konzerte sollen stattdessen im Wilhelmsbau stattfinden, der derzeit aus Brandschutzgründen geschlossen ist. Damit würde das Schloss zugleich mehr Räume für „Dialog und Demokratie“ bieten.
Im Museum soll ein Modell der Universitätsstadt Marburg den Auftakt für die Inszenierung des Schlosses „als erstes Exponat“ bilden. Reflektiert werden soll das Schloss als historischer Ort. Einst war es Burg, Residenz, Festung, Gefängnis, Archiv und „Art Collecting Point“ der Amerikaner. Dazu gehört die kritisch durchleuchtete Geschichte der Burg als Symbol landgräflicher Macht.
Zugleich soll das Schloss das künftige Stadt- und Landesmuseum aufnehmen und ein Ort werden, an dem Geschichte erlebt werden kann. Die heute unzugänglichen Sammlungen sollen dazu aufbereitet und das Museum in den Erlebnisort Schloss integriert sein. Im – bislang nur für einzelne Führungen geöffneten – Dachgeschoss soll ein sogenanntes „Schaufenster der Wissenschaft“ eingerichtet werden. Dazu gehören temporäre Ausstellungen, Einblicke in die Fachforschung sowie Möglichkeiten für Forschungsprojekte mit Laien aus der Stadtgesellschaft. Zudem sollen die Gäste in einer „Datenbank der Geschichten“ stöbern können, in der zum Beispiel Objekte aus universitären Sammlungen – wie etwa aus der Anatomie, Physik und Zoologie – vorgestellt werden.
Dazu würden sogenannte „Satelliten“ installiert etwa zum Marburger Religionsgespräch im Landgrafenzimmer, zum Behring-Labor und zum Schlosscafé, wo Marburger Keramik präsentiert werden könnte. Das künftige Café soll im Erdgeschoss des Wilhelmsbaus untergebracht werden.
Um das Schloss möglichst barrierefrei zu machen, schlägt „Space4“ einen außen angebrachten Aufzug an der Nordseite des Wilhelmsbaus vor, der den Veranstaltungsraum im ersten Obergeschoss erschließt. Innen führt ein weiterer Aufzug in die oberen Stockwerke. Ein brückenartiger Verbindungsgang führt vom Wilhelmsbau zum Foyer des Kernschlosses. Zudem soll es einen weiteren Aufzug im Südflügel geben, mit dem das Landgrafenzimmer erreicht werden kann.
Mit dieser Abschlusspräsentation durch „Space4“ sei die „erste Station“ erreicht, ein visionäres Konzept für die weitere Entwicklung liege auf dem Tisch, sagte Universitätspräsident Prof. Dr. Thomas Nauss bei der Vorstellung. Damit sei aber noch nicht geklärt, wie es finanziert werde. Das Büro schätzt die Kosten auf 135 Millionen Euro, in denen auch Sanierungskosten enthalten sind.
„Das Land Hessen unterstützt die Entwicklung des Marburger Landgrafenschlosses nachhaltig“, erklärte der hessische Wissen-schafts- und Kunstminister Timon Gremmels. „Wir haben für die dringend erforderliche Dachsanierung rund 11,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das Zukunftskonzept, dessen Entwicklung das Land Hessen mit 460.000 Euro gefördert hat, spiegelt den Öffnungsprozess des Marburger Schlosses wider. So könnte ein innovatives und leistungsstarkes Museum, das gleichzeitig als hochwertiger Veranstaltungsort genutzt werden kann, aussehen. Hinsichtlich der hohen Kostenschätzung besteht weiterer Gesprächs- und Verhandlungsbedarf“.
Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies betonte: „Das Marburger Landgrafenschloss ist eine der bedeutendsten Immobilien des Landes Hessen und ein historisches Denkmal von nationaler Bedeutung.“ Äußerst erfreulich und positiv wertet der Universitätspräsident, dass sich Land, Universität und Stadt in dieser Haltung einig sind und den Prozess gemeinsam angestoßen haben: „Wir alle wissen, dass es unmöglich ist, diese große Vision aus laufenden Mitteln für Spitzenforschung und Bildung zu finanzieren. Hier sind vor allem Bund und Land gefragt.“
Spies stimmte dem Universitätspräsidenten zu: „Das Landgrafenschloss kann kein Nebenprodukt des Universitätsbetriebs sein. Seine Entwicklung steht in einer Linie mit der anderer bedeutender Schlösser und Burgen in Deutschland.“
Ein schöner Anlass und ein schönes „Geburtstagsgeschenk“ könnten laut Spies entsprechende Zusagen von Bund und Land zum 500-jährigen Universitätsjubiläum 2027 sein. Dabei habe die Stadt Marburg auch Mittel eingeplant, um sich in einem gewissen Umfang an den Kosten für den Teil Stadtmuseum zu beteiligen. Drei Jahre später – also frühestens im Jahr 2030 – könnte mit dem Bau des Besuchszentrums begonnen werden. Davor – und quasi als nächsten Schritt – schlägt das Zukunftskonzept die Gründung einer Entwicklungsgesellschaft vor.
„Die Arbeit fängt jetzt erst richtig an“ erklärte Spies. Er mahnte zu Geduld, Behutsam- und Beharrlichkeit, denn „es dauert auf jeden Fall länger, als man denkt.“ Zugleich sei er glücklich über das Schloss in der Stadt, das „große Geschenk“ für Marburg, das schon um die 1.000 Jahre „ziemlich schadlos“ überstanden habe.
Das Konzept, dem mehrere Workshops und Beteiligungstage mit umfangreicher Bürgerbeteiligung vorangingen, soll nun in den städtischen Ausschüssen vorgestellt werden. Dort wird voraussichtlich zu gegebener Zeit auch über die Frage diskutiert, wie Besucherinnen und Besucher künftig zum Schloss kommen, die den Fußmarsch über das steile Kopfsteinpflaster scheuen. Die kommenden Jahre sollen aber nicht nur mit Planungen und Diskussionen gefüllt werden. Die Planerinnen und Planer empfehlen, schon bald temporäre Sitzbänke an der Schlossmauer aufzustellen, Stationen zum Mitmachen einzurichten sowie Flohmärkte und Hofkonzerte zum Stöbern und Lauschen zu veranstalten.
* pm: Stadt Marburg