Dreimal haben Aktivistinnen und aktivisten der „Letzten Generation“ im März und Juni 2023 in Gießen protestiert. Nun hat die Staatsanwaltschaft zwei dieser Proteste angeklagt.
Verhandelt wird am Dienstag (29. Oktober) ab 9 Uhr im Amtsgericht Gießen an der Gutfleischstraße. Das Gericht hat bereits einen Fortsetzungstermin für Donnerstag (31. Oktober) ab 9 Uhr im Saal 100 angesetzt. Es geht um Proteste vom 27. März 2023 und 12. Juni 2023, die beide in der Nähe von Autobahnabfahrten (Gießener Ring) stattgefunden hatten.
Angeklagt sind insgesamt fünf Personen aus Marburg im Alter von 48 bis 67 Jahren. Die Staatsanwaltschaft wirft den fünf Marburgerinnen und Marburgern vor, gemeinschaftlich Menschen rechtswidrig mit Gewalt zu einer Handlung genötigt zu haben. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das Gericht bereits neun Polizistinnen und Polizisten als Zeugen geladen, die größtenteils geltend machen, auf ihrem Weg zur Arbeit genötigt worden zu sein.
Die Angeklagten werden voraussichtlich weitere Beweisanträge und auch Zeugenladungen einbringen. Der Prozess wird am Dienstag (29. Oktober) mit Verlesung der Anklage und Einlassungen der Angeklagten beginnen. Ob bereits am ersten Tag das Urteil fällt, ist offen. Im Dezember 2023 hatte das Amtsgericht Marburg das Verfahren gegen vier Angeklagte wegen eines ähnlichen Protests kurz nach Beginn der Verhandlung gegen eine geringe Geldauflage an eine gemeinnützige Organisation eingestellt.
Die Angeklagten werden vor dem Gießener Gericht darlegen, warum sie – anders als die Staatsanwaltschaft – nicht glauben, dass sie Menschen rechtswidrig mit Gewalt zu einer Handlung oder Unterlassung genötigt haben. Sie werden sich dabei unter anderem auf den Absatz zwei des Paragrafen 240 berufen, demnach nur verwerfliche Handlungen strafbar sind. Die fünf Marburger:innen werden in ihren Einlassungen und in der Beweisaufnahme auf die konkreten Umstände, aber auch auf den großen Rahmen eingehen.
„Wir sind überzeugt, dass unser Protest legitim und notwendig ist“, erklärte einer der Angeklagten. „Ob wir die Richterin davon überzeugen können ist, offen. In Prozessen gegen Menschen, die mit dem Aufstand der Letzten Generation protestieren, gab es schon viele Verurteilungen zu Geldstrafen (Tagessätze), aber sogar zu Haftstrafen ohne Bewährung. Es gab aber auch eine ganze Reihe Freisprüche. Die meisten Urteile sind nicht rechtskräftig, sondern werden in weiteren Instanzen verhandelt bis zum Bundesverfassungsgericht.“
ie – in Marburg aufgewachsene – Irma Trommer hat gegen eine entsprechende Verurteilung kürzlich Verfassungsbeschwerde eingelegt. Informationen dazu finden Interessierte auf letztegeneration.org/pm/38029/ oder raz-ev.org/rechtshilfe/verfassungsbeschwerden.
* pm: Letzte Generation Marburg