„Remigration“ wurde zum Unwort des Jahres gewählt. Die Jury aus unabhängigen Sprachexpertinnen und Sprachexperten hat es am Montag (15. Oktober) bestimmt.
Der Ausdruck Remigration ist ein vom lat. Verb remigrare (deutsch ‚zurückwandern,
zurückkehren‘) abgeleitetes Fremdwort. Das Wort ist in der Identitären Bewegung, in rechten Parteien sowie weiteren rechten bis rechtsextremen Gruppierungen zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte geworden.
Die Jury kritisiert die Verwendung des Wortes, weil es 2023 als rechter Kampfbegriff, beschönigende Tarnvokabel und ein die tatsächlichen Absichten verschleiernder Ausdruck gebraucht wurde. Als Unwörter auf Platz 2 und 3 kamen die Wörter Sozialklimbim und Heizungs-Stasi.
Der aus der Migrations- und Exilforschung stammende Begriff, der verschiedene, vor allem freiwillige Formen der Rückkehr umfasst (darunter die Rückkehr jüdischer Menschen aus dem Exil nach 1945), wird bewusst ideologisch vereinnahmt und so umgedeutet, dass eine – politisch geforderte – menschenunwür-
dige Abschiebe- und Deportationspraxis verschleiert wird.
Die Neue Rechte zielt mit dem Wortgebrauch darauf ab, kulturelle Hegemonie und ethnische Homogenität zu erlangen. Das, was mit der Verwendung des Wortes gefordert wird, verletzt freiheitliche und bürgerliche Grundrechte von Menschen mit Migrationsgeschichte.
Das Eindringen und die Verbreitung des vermeintlich harmlosen und beschönigenden Ausdrucks in den allgemeinen Sprachgebrauch führt zu einer Verschiebung des migrationspolitischen Diskurses in Richtung einer Normalisierung rechtspopulistischer und rechtsextremer Positionen.
Der diesjährige Gastjuror Ruprecht Polenz kommentiert die Verwendung und Wahl des
Ausdrucks zum Unwort folgendermaßen: „Der harmlos daherkommende Begriff Remigration wird von den völkischen Nationalisten der AfD und der Identitären Bewegung benutzt, um ihre wahren Absichten zu verschleiern: die Deportation aller Menschen mit vermeintlich falscher Hautfarbe
oder Herkunft, selbst dann, wenn sie deutsche Staatsbürger sind. Nach der Wahl zum
„Unwort des Jahres“ sollte diese Täuschung mit Remigration nicht mehr so leicht
gelingen.“
*pm: Philipps-Universität Marburg