Systemwechsel: 20 Jahre KreisJobCenter Marburg-Biedenkopf

20 Jahre alt wird zum Jahreswechsel das KreisJobCenter Marburg-Biedenkopf. Das gab Anlass zu einem Rückblick auf erfolgreiche Organisationsentwicklung und einem Ausblick auf künftige Herausforderungen.
Das KreisJobCenter (KJC) des Landkreises Marburg-Biedenkopf kann auf 20 Jahre erfolgreicher Arbeit im Bereich der sozialen Sicherung und Integration in den Arbeitsmarkt zurückblicken. Der Erste Kreisbeigeordnete Peter Neidel und die Fachbereichsleiterin Andrea Martin reflektierten gemeinsam mit langjährigen Mitarbeitenden die bedeutenden Meilensteine und Herausforderungen der vergangenen zwei Jahrzehnte. Das Jobcenter hat sich als zentrale Anlaufstelle für die Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt etabliert.
„Seit vielen Jahren nimmt das KreisJobCenter Marburg-Biedenkopf einen Spitzenplatz bei der Integration von arbeitslosen Menschen in den Arbeitsmarkt ein und findet bundesweit Beachtung“, betonte Neidel. „Schon seit Mai 2024 liegt das Jobcenter in seinem Vergleichstyp auf Rang 1 von 44. Darauf sind wir stolz und diese Erfolge wurden maßgeblich durch den agilen Arbeitgeberservice, die Qualifizierung und das integrierte Fallmanagement ermöglicht, das die wertschätzende Haltung gegenüber Leistungsbeziehern in den Vordergrund stellt.“
Seit seiner Gründung, die von unterschiedlicher Seite kritisch betrachtet wurde, hat das KreisJobCenter Marburg-Biedenkopf schon in den Anfangsjahren sehr erfolgreich Menschen aus unterschiedlichen sozialen und beruflichen Kontexten in den Arbeitsmarkt integriert. Das integrierte Fallmanagement, in dem Leistungsgewährung und Arbeitsvermittlung aus einer Hand gewährt werden, ist dabei die zentrale Anlaufstelle für die leistungsbeziehenden Menschen. Eine wertschätzende Haltung ihnen gegenüber ist dabei essentiell. Fallmanager Alexander Wolf schilderte dazu ein prägnantes Beispiel aus seinem Arbeitsalltag: Durch das Eingehen auf den Wunsch des Klienten konnte eine langjährige Arbeitslosigkeit, die durch Suchtmittelgebrauch und frustrierende Erfahrungen geprägt war, beendet werden und eine Ausbildung im Wunschberuf mit guten Noten aufgenommen werden.
Nach dem schwierigen Start entwickelte sich das Jobcenter insbesondere in der Projektarbeit kontinuierlich weiter. Dabei wurden sowohl Projekte zur Förderung von arbeitslosen Menschen als auch solche zur internen Prozessoptimierung entwickelt. „Projektarbeit“ ist ein Merkmal des KJC“, erklärte die Fachbereichsleiterin Andrea Martin. „Die erfolgreichsten Unterstützungsangebote für unsere Kundinnen und Kunden und auch die internen Arbeitsabläufe wie der Leitfaden ,Gutes Fallmanagement‘ wurden stets aus dem Kreis unserer Kolleginnen und Kollegen heraus entwickelt.“
Stefan Fischer aus dem Fachdienst Planung und Controlling erinnert sich gerne an eine Reise der Projektgruppe „Jobakademie“ nach Holland im Jahre 2007. Dort orientierte sich die Gruppe am Beispiel der „Werkakademien“, in denen arbeitslose Menschen – von Coaches unterstützt und ermutigt –
gemeinsam in einer Gruppe nach Arbeit, die zu ihnen passt, suchen. Dieses Konzept hat sich auch in Marburg-Biedenkopf bewährt und steht bis heute unterschiedlichen Personengruppen wie Menschen mit Migrationsgeschichte und Alleinerziehenden zur Verfügung.
Uwe Kreiter vom Arbeitgeberpersonalservice betonte die klare Ausrichtung des KJC auf den ersten Arbeitsmarkt und die Nachfrage der Arbeitgeber: „Schon seit Beginn unserer Arbeit legen wir Wert auf Qualifizierung. Unter anderem konnten wir über 516 Pflegekräfte, 111 Erzieherinnen und Erzieher sowie 235 Busfahrer und Busfahrerinnen wir ausbilden. Das sind nachhaltige Integrationen in Arbeit – Fachkräfte sehen wir in der Regel nicht mehr hier im Haus.“
Sandra Liebermann begleitete insbesondere die Arbeit in der _ vor drei Jahren neu geschaffenen – „Frauenakademie“ sowie dem „Kind-und-Karriere-Center“, das es bereits seit 14 Jahren gibt und das –
nahezu einzig für ein Jobcenter – eine eigene Kinderbetreuung für Kundinnen anbietet. „Frauen zu ermutigen, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen, sich zu qualifizieren und ihren Lebensunterhalt selber zu bestreiten, ist unser Ziel“, erläuterte sie. „Unsere Angebote bieten hier breite Unterstützungsmöglichkeiten.“
Dass diese Angebote wirksam sind, belegt der erste Rang des KJC Marburg-Biedenkopf bei der Vermittlung von Frauen in den Arbeitsmarkt. Verglichen werden dabei bundesweit 44 Jobcenter mit vergleichbaren Rahmenbedingungen. Besonders herausragend war unter den Unterstützungsangeboten für arbeitslose Menschen das Projekt „Auszeit für Gesundheit“. Dabei wurden seit 2020 über 700 Teilnehmende unterstützt, die mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen zu kämpfen hatten.
Kirsten Balzereit, die als Gesundheitscoach in diesem Projekt seit Anbeginn dabei war, erläuterte, dass durch eine umfassende Betreuung und individuelle Qualifizierungsmaßnahmen eine Vermittlungsquote von 29,5 Prozent in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse habe erzielt werden können. Das sei eine beachtliche Zahl, insbesondere da viele Teilnehmer mehr als fünf Jahre arbeitslos waren.
Auch die vergangenen Jahre waren nicht frei von Herausforderungen. Ein steter Lernprozess ist die Anpassung der statistischen Erfassung, die äußerst komplex sein kann. Marco Mews, der als Systembetreuer im Jobcenter arbeitet, erläuterte die Relevanz stimmiger Daten, nicht nur für die statistische Abbildung, sondern auch für das Vermittlungsgeschäft.
„Es gab auch Projekte, bei denen wir Lehrgeld zahlen mussten“, erklärte KJC-Leiterin Martin. Nicht jedes Unterstützungsangebot, dass in der Theorie stimmig wirkt, werde von den Kundinnen und Kunden auch angenommen. So seien für Projekte mit Elementen Business Englisch und Assessment-Center-Training in den Anfangsjahren der Arbeit nicht ausreichend Teilnehmende gefunden worden und eine Projektidee zur Qualifizierung von Arbeitssuchenden im Job mit begleitender Qualifizierung sei erst als nicht zulässig betrachtet worden – nunmehr ist es als § 16i SGB II sogar Gesetz geworden.
„Das Jobcenter Marburg-Biedenkopf sieht für die kommenden Jahre die weitere Schaffung von Transparenz und Fairness im System als zentrale Ziele“, erklärte Markus Janning aus dem Fachdienst Recht des KJC.“Transparenz schafft das Jobcenter vor allem im „Dschungel der Sozialen Systeme.“
Im Projekt „Arbeit lohnt sich doch!“ ermöglicht das KJC den leistungsbeziehenden Menschen, sich vor Augen zu halten, wie hoch der finanzielle Mehrwert einer Beschäftigungsaufnahme für sie ist. „Es klingt banal, ist aber in der Praxis hochrelevant und aufgrund der Komplexität der Sozialsysteme schwer zu berechnen“, erklärte Janning aus dem. „Ich konnte dazu einen Rechner entwickeln, der dem Fallmanagement und den Mitarbeitenden der arbeitsmarktlichen Träger zur Verfügung steht und eine schnelle Berechnung ermöglicht.“ Mit dem Projekt „Arbeit lohnt sich doch“ ist das KJC Marburg-Biedenkopf bundesweit Vorreiter und stellte seine Arbeit erst im November im Bund-Länder-Ausschuss, der im Bundesministerium für Arbeit und Soziales gebildet wird, vor.
„Zur Fairness gehört auf der anderen Seite, dass die sozialen Leistungen auch tatsächlich nur den Menschen zur Verfügung gestellt werden, die diese tatsächlich benötigen“, betonte der Erste Kreisbeigeordnete Peter Neidel. „Wir haben in den letzten Monaten vermehrt festgestellt, dass Leistungsanträge im Jobcenter in betrügerischer Absicht gestellt wurden. Es ist mein Ansinnen, dass wir dies strukturiert und energisch bekämpfen.“ Neidel erläuterte weiter: „Eine Arbeitsgruppe, an der ich teilnehme, hat unlängst mit der Arbeit dazu begonnen.“
Besonderes Augenmerk soll vermehrt auch auf die junge Generation der leistungsbeziehenden Menschen gelegt werden. „Die Befunde zur Qualität der Bildung junger Menschen sind beängstigend“, erklärte Neidel. „Ich unterstütze hier absolut das neue Vorhaben, eine Jobakademie nach bewährtem Vorbild der etablierten Angebote speziell für junge Menschen neu zu etablieren um unseren möglichen Beitrag dazu zu leisten, dass die Qualifikation der Jungen gestärkt werden kann.“
Das Jobcenter Marburg-Biedenkopf wird weiterhin an seiner Vision arbeiten, die Menschen in der Region durch faire, transparente Prozesse und die gezielte Förderung der beruflichen Weiterbildung bestmöglich zu unterstützen und zu integrieren. Für das besondere Engagement und Herzblut über die lange Zeit und auch in jüngerer Vergangenheit bedankten sich der Erste Kreisbeigeordnete und die Fachbereichsleiterin herzlich bei ihren Mitarbeitenden.

* pm: Landkreis Marburg-Biedenkopf

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