Stau beim Klimaschutz: Eine eindeutig erfreuliche Einigung

Die „Letzte Generation“ macht von sich reden. In Marburg möchte sie keine Straßen mehr blockieren.
Das haben Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies versprochen. Spies wiederum hat sich den inhaltlichen Hauptforderung der Aktionsgruppe angeschlossen und einen Brief an den Bundeskanzler und den Deutschen Bundestag verschickt. Seine Einigung mit der „Letzten Generation“ haben konservative Kreise wie der Hessische Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck daraufhin heftig kritisiert.
Von „Erpressung“ war da die Rede. Die Aktionen wurden als „Nötigung“ gebrandmarkt. Bei vielen kochten die Emotionen heiß hoch.
„Nötigung“ ahndet der Paragraph 240 des Strafgesetzbuchs (StGB) mit Freiheits- oder Geldstrafe. „Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“, heißt es da. Allein schon das Wort „menschenrechtswidrig“ sollte die Kritik an der „Letzten Generation“ ein wenig kleinlauter ausfallen lassen als in vielen hitzigen Tiraden.
Sicherlich ist das Ankleben von Menschen an Straßen nicht gerade klug. Schließlich lässt sich der dabei verwandte Sekundenkleber nicht in Sekundenschnelle lösen. Dadurch gefährden die Aktivistinnen und Aktivisten aber vor allem sich selbst.
Wer in diesem Zusammenhang Geschichten von blockierten Rettungswagen erzählt, der sollte vielleicht einmal auf die vielen Autos schimpfen, die nach Unfällen auf der Autobahn keine Rettungsgasse bilden. Das ist wahrscheinlich weitaus verwerflicher als Klebeaktionen der „Letzten Generation“, weil die Fahrerinnen und Fahrer nur aus Nachlässigkeit, Neugier oder Eigennutz nicht an den Rand der Fahrbahn heranfahren. Die „Letzte Generation“ hingegen verfolgt mit ihren Aktionen durchaus lautere Motive.
Natürlich sollte keine Demonstration oder Aktion das Leben oder auch nur die Gesundheit von Menschen gefährden. Das gilt auch für die Gefährdung der Beteiligten. Das beteuern aber auch immer wieder Vertreterinnen der „“Letzten Generation“.
Zumindest der Schutz der Menschen vor den Folgen der Erderwärmung kann überhaupt nicht menschenrechtswidrig sein. Das Aufhalten von Verkehr erfolgt auch bei jeder angemeldeten Demonstration sowie tagtäglich aufgrund
von Staus, Unfällen oder Ladevorgängen. Solange die Blockierenden dabei niemanden persönlich angreifen, bedrohen sie auch kein Menschenrecht, sondern bewirken allenfalls eine zeitweilige Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit.
Alle, die auf die „Letzte Generation“ schimpfen, müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie zu der schleppenden Umsetzung von Maßnahmen zum Klimaschutz weitgehend schweigen. Die Eilbedürftigkeit solcher Maßnahmen hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil vom 29. April 2021 klargestellt. Klimaschutz ist eine dringliche Notwendigkeit zum Schutz von Menschenleben sowie zur Verhinderung gigantischer ökologischer und ökonomischer Schäden.
Statt die „Letzte Generation“ wutschnaubend als „Klimaterroristen“ zu beschimpfen, sollten Porsche-Chef Oliver Blume und seine folgsamen Getreuen Christian Lindner und Volker Wissing wegen Korruption zum Nachteil der Gesundheit ganzer Generationen von Menschen vor Gericht gestellt werden. Die Forderung der „Letzten Generation“ nach einem Gesellschaftsrat gewinnt vor dem Hintergrund der Hartnäckigkeit einer Verweigerung des geforderten Tempolimits und dem starrköpfigen Beharren auf sogenannten „E-Fuels“ ganz besonderes Gewicht.
Oberbürgermeister Spies hat richtig gehandelt, als er sich mit den aktiven Klimaschützern geeinigt hat. Letztlich hat er in seinem Brief fast nur Forderungen erhoben, die die Stadtverordnetenversammlung (StVV) der Stadt Marburg schon längst beschlossen hatte. Dass sein Brief nicht nur weitere Aktionen in Marburg abwendet, sondern auch Druck auf die Bundesregierung in Berlin erzeugt, ist eine gute Nachricht für den Klimaschutz.
Leider gehört Druck auf Verantwortliche zum politischen Alltagsgeschäft. Das gilt umso mehr dann, wenn Beharrungskräfte notwendige Veränderungen blockieren und Entscheidungen bewusst ausbremsen oder verzögern. Das trifft bedauerlicherweise auf staatliche Maßnahmen für einen wirksamen Klimaschutz zu.
Demonstrationen sind ein Grundpfeiler der Demokratie. Dass dabei auch Wege versperrt werden, ist nahezu unvermeidbar. Leider müssen Demonstrationen immer wieder neue Aktionsformen finden, um in den Massenmedien überhaupt noch wahrgenommen zu werden.
Ob der Einsatz von Sekundenkleber bei Straßenblockaden eine gute Hilfe ist, mag man bezweifeln. Allerdings bezeugt er die Entschlossenheit der Aktivistinnen und Aktivisten, für ihre Ziele einzutreten und dabei auch Widrigkeiten in Kauf zu nehmen. Letztlich können sie den Bundesministern der FDP sogar vorwerfen, dass ihr Beharren auf einer Verbrennertechnologie und ihre eigennützige Lobby-Politik zugunsten großer rückständiger Automobilkonzerne die Bevölkerung in Deutschlang menschenrechtswidrig mit einem empfindlichen Übel bedroht.

* Franz-Josef Hanke

Ein Kommentar zu “Stau beim Klimaschutz: Eine eindeutig erfreuliche Einigung

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