Die Sonne ist eine feste Institution am Marburger Marktplatz. Seit 1968 leitet die Familie Tontara den gleichnamigen Gasthof in zweiter Generation.
Errichtet wurde das Fachwerkhaus „Markt 14“ im Jahr 1569. Damit gehört es zu den ältesten Gebäuden Marburgs. Seine zentrale Lage unmittelbar am historischen Marktplatz ist eine günstige Voraussetzung für eine erfolgreiche Gastronomie.
Schon früh beherbergte das Haus eine Poststation. Damit verbunden war die Bewirtung und Beherbergung der Reisenden. Darum kann das „Gasthaus zur Sonne“ auf eine lange Tradition als Hotel und Restaurant zurückblicken.
Schon während meines ersten Semesters rieten die Professoren den angehenden Studentinnen und Studenten, ihre Eltern bei einem Besuch der Stadt in die „Sonne“ zu führen. Während sich Kleinigkeiten in dem Speisenangebot seither immer wieder geändert haben, ist die Grundlinie die gesamte Zeit über gleich geblieben. Überwiegend bietet der Wirt Enrico Tontara deutsche Gerichte an.
Beim Gang durch das enge Stiefelsgäßchen konnte man früher in die kleine Küche hineinblicken und den Köchen bei der Arbeit zuschauen. Der Duft frisch gebratener Köstlichkeiten stieg mir dann in die Nase, wenn ich Freundinnen oder Freunden diesen schmalen Schleichweg von der Wettergasse zum Markt zeigte. Gerne schlug ich diesen Weg vor einem Besuch der „Sonne“ ein, um mich auf den bevorstehenden Genuss angemessen einzustimmen.
Zu den Klassikern der „Sonne“ gehören „Tafelspitz mit Frankfurter Grüner Soße“, das „Ulmer Schnitzel“ mit Käsespätzle oder der „Sonnentopf“. Aber auch Fisch und vegetarische Gerichte sind auf der Karte zu finden.
Bei schönem Wetter kann man vor der Sonne draußen auf dem Marktplatz sitzen und das Geschehen dort verfolgen. Je nach Wahl des Sitzplatzes kann man hinab auf das Renaissance-Rathaus und seine historische Turmuhr blicken. Dabei kann man die Speisen der gutbürgerlichen Küche genießen.
Drinnen im Erdgeschoss sitzen die Gäste auf polsterbelegten Holzbänken an rustikalen Holztischen. Über eine hölzerne Treppe erreicht man den ersten Stock, wo vorne zwei kleine und hinten ein größerer Gastraum für Gruppen zur Verfügung stehen. in zwei darüberliegenden Etagen befinden sich gemütliche windschiefe Hotelzimmer für die Übernachtungsgäste.
Aufrecht kann ich die beiden kleineren Gasträume nicht betreten. Eine Polsterung an den hölzernen Türbalken schützt größer gewachsene Gäste wie mich aber vor unangenehmen Zusammenstößen mit dem Tragbalken.
Zahlreiche Übernachtungsgäste habe ich im Laufe der Jahre im „Hotel zur Sonne“ einquartiert. Darunter waren der ehemalige Bundestagsvizepräsident Dr. Burkhard Hirsch als einstiger Marburger Student, der Leuchtfeuer-Preisträger Prof. Dr. Dr. Dr. Rolf Schwendter und der Leuchtfeuer-Laudator Dieter Gutschick sowie mehrere Aktive der Humanistischen Union (HU). Die Geburtstagsfeier von Ernst-Ulrich Wehle in der „Sonne“ habe ich ebenfalls in guter Erinnerung, weil er dort ein Dia vom Haus seiner Großmutter in München zeigte, wo vor ihm bereits in den 40er Jahren die Geschwister Sophie und Hans Scholl gewohnt hatten.
Mit Leuchtfeuer-Preisträgern wie Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ, Käte Dinnebier, Sabriye Tenberken, Hilde Rektorschek, Lutz Götzfried und zuletzt Kristina Hähnel sowie Ruby Hartbrich habe ich vor oder nach der Preisverleihung im Historischen Saal des Rathauses zur Abrundung der Feierstunde in der „Sonne“ zu Mittag gegessen. Mit dem Flüchtlingshelfer Elias Birdl habe ich nach einer veranstaltung im Stadtverordnetensitzungssaal abends noch in der „Sonne“ weiterdiskutiert. Mit zahlreichen Freundinnen und Freunden habe ich mittags oder abends in oder vor der „Sonne“ gesessen und gut gegessen sowie dabei meist auch gut miteinander geredet.
Noch im August habe ich zuletzt draußen vor der Sonne gesessen und „Tafelspitz“ mit Grüner Soße gegessen. Neben dem „Market“ auf der anderen Seite des Marktbrunnens ist die Sonne einer meiner bevorzugten Anlaufpunkte am historischen Marktplatz. Ganz unzweifelhaft ist sie eines der legendären Lokale in Marburg.
* Franz-Josef Hanke
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