Drinnen und draußen: Die Rats-Schänke neben dem Rathaus

Bei schönem Wetter kann man direkt vor dem Marburger Rathaus sitzen und zu Mittag oder Abend essen. Möglich ist das dank der Außenbestuhlung der „Rats-Schänke“.
Neben dem „Market“ an der Einmündung der Nicolaistraße und dem historischen „Gasthof zur Sonne“ am Obermarkt ist die „Rats-Schänke“ eines der sieben Speiserestaurants rund um den historischen Marktplatz. Ihr Eingang liegt in der Aulgasse. Das Haus mit der Anschrift „Markt 3“ befindet sich jedoch – nur durch die Treppe hinunter zum Hirschberg davon getrennt – gleich neben dem Renaissance-Rathaus.
Wer auf dem gepflasterten Marktplatz an den großen runden Tischen der „Rats-Schänke“ unmittelbar beim Treppenturm des Rathauses sitzt, kann den Stundenschlag der Rathausuhr zwar hören, aber kaum sehen. Dafür sind die Stühle und Tische zu dicht an das rathaus herangerückt. Dafür hat man von dort aus aber einen herrlichen Ausblick auf den obermarkt mit dem Rathausbrunnen und die Mainzer Gasse hinauf.
Während ich in den ersten jahren meines Aufenthalts in Marburg gar nicht in der „Rats-Schänke“ war, bin ich in den 90er Jahren dann mehrmals und ab 2000 öfter dort eingekehrt. Vor allem draußen habe ich mich meistens wohlgefühlt bei kühlem Bier oder Apfelsaft und einem Wiener Schnitzel mit Pommes Frites und Salat. Die Salate waren immer frisch und die Speisen wohlschmeckend und bekömmlich.
Im Gebäude war ich nicht allzu oft; doch erinnere ich mich an mehrere Besuche mit besonderen Begegnungen. So habe ich dort am 10. Februar 2009 mit dem ehemaligen Bundestagsvizepräsidenten Dr. Burkhard Hirsch und am 15. November 2012 mit dem damaligen HU-Bundesvorsitzenden Werner Koep-Kerstin gespeist.
Hirsch erzählte von seiner Zeit in Marburg, wo er von 1948 bis 1954 Jura studierte. Damals wollte seine FDP-Parteifreundin Prof. Dr. Luise Berthold am Rudolphsplatz gegenüber dem Luisabad eine öffentliche Toilette errichten, die im Volksmund nur „Luises Lust“ genannt worden sei. Berthold war die erste weibliche Professorin an der Philipps-Universität und eine wichtige Vorkämpferin für Frauenrechte.
Beinahe wäre Hirsch am Abend unserer Begegnung über die Stufe gestolpert, die im Inneren hinter dem Vorraum zur Tür hinabführt in den gastraum. Dort sitzen die Gäste an mit Stofftischdecken gedeckten Tischen auf bequemen Polsterstühlen. Ein schmaler länglicher Trakt des Gastraums zieht sich die Aulgasse entlang, während ein anderer Teil des Raums sich im rechten Winkel davon parallel zur Hirschberg-Treppe nach hinten zieht.
Mittags konnte man in der „Rats-Schänke“ Bekannte treffen, die regelmäßig das Angebot des Mittagstischs nutzten. Das waren dann vielleicht Bedienstete der Stadtverwaltung oder alleinstehende Rentner, die die günstige Gelegenheit nutzten, um beim Essen mit Freunden zu philosophieren. Abends konnte man nach einer Diskussionsveranstaltung noch gemeinsam ein Bier trinken und einen Happen essen, während man die vorangegangene Diskussion fortführte.
So saß ich nach einem HU-Streitgespräch über religionskritik am 24. April 2007 mit den Philosophen Dr. Dr. Joachim Kahl und Dr. Michael Schmidt-Salomon dort und diskutierte weiter über den Slogan „Glaubst Du noch oder denkst Du schon?“. Mehrmals habe ich auch in Anschluss an Demonstrationen auf dem Marktplatz draußen bei der „Rats-Schänke“ gesessen und ein Schnitzel mit Pommes Frites und Salat gegessen. Wiederholt war das 2011 nach Demonstrationen gegen den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken (AKW) nach der Atomkatastrophe von Fukushima der Fall.
Als Familienbetrieb hat sich die „Rats-Schänke“ vor allem auf deutsche Hausmannskost spezialisiert. Der Wirt Sven Richter hat das Lokal bereits von seinen Eltern übernommen und in ihrem Sinne weitergeführt. Inzwischen darf man das gemütliche Restaurant in dem historischen Gebäude wohl auch zu den legendären Lokalen in Marburg zählen.

* Franz-Josef Hanke

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