Auf Asphalt: Landkreis kreidet Catcalling an

Zum Anti-Catcall-Tag kreidet der Landkreis sexuelle Belästigung an. Das Kommunale Frauen- und Gleichstellungsbüro sammelt Erfahrungen Betroffener.
Das sogenannte „Catcalling“ ist ein alltägliches Phänomen im öffentlichen Raum und betrifft insbesondere Frauen und Menschen aus der LGBT-Gemeinschaft. Zum Anti-Catcall-Tag am Freitag (10. Juni) rückt der Landkreis Marburg-Biedenkopf das Thema mehr in den Fokus. Dazu sammelt das Kommunale Frauen- und Gleichstellungsbüro bis Mai 2023 Erfahrungsberichte betroffener Personen im Kreis, um sie später sichtbar zu machen.
„Der Begriff Catcalling stammt aus der englischen Umgangssprache und bedeutet Katzen-Rufen“, erläuterte Janet Miller. „Unter Catcalling ist sexuell anzügliches Rufen, Reden, Pfeifen oder sonstige Laute im öffentlichen Raum gemeint. Es kann auch verstanden werden als das unerträgliche Geschrei ,hormonell außer Gefecht gesetzter‘ Kater.“
Nach Angaben der Leiterin des Kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbüros des Landkreises Marburg-Biedenkopf seien Frauen und Personen besonders betroffen, die der LGBT-Gemeinschaft angehören. Das ist die gesellschaftliche Gruppierung der lesbischen, schwulen, bisexuellen und transgender (Menschen, die sich nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren) Personen. „Als meist berührungslose, aber unzumutbar aufgedrängte sexuelle Belästigung ist Catcalling derzeit kein eigener Straftatbestand und keine Ordnungswidrigkeit“, erklärte Miller.
Sie sieht in Catcalling ein gesamtgesellschaftliches Problem, das betroffene Personen einschränke, sich frei und unbehelligt im öffentlichen Raum zu bewegen. Auch körperliche Symptome wie Schwindel und Übelkeit könnten die Folge sein. „Catcalling“ erfolgt häufig durch Pfeif- oder Kussgeräusche, aufdringliche Blicke und anzügliche Sprüche auf offener Straße.
„Die meisten Frauen erfahren Catcalling leider irgendwann mal im Leben“, berichtete Miller. Bisher hätten sich allem von Frauen und Transpersonen gemeldet. „Wir wollen etwas dagegen unternehmen und Catcalling im ländlichen Raum sichtbarer machen“, erklärte Miller.
Die Gleichstellungsbeauftragten auf kommunaler Ebene machen mit dem Anti-Catcall-Tag auf dieses Phänomen aufmerksam. „Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen und Mädchen sich nicht unbefangen im öffentlichen Raum bewegen können ohne Belästigungen ausgesetzt zu sein“, sagte Simone Semmler. Die Gleichstellungsbeauftragte der niedersächsischen Stadt Salzgitter ist Initiatorin des Aktionstages. „Der gutmeinende Hinweis mancher Männer ,Nimm’s doch als Kompliment‘, führt leider nicht weiter. Catcalling und sexuelle Belästigungen sind kein Kompliment“, fügt Semmler hinzu.
Alle, die in der Region von Catcalling betroffen sind oder dergleichen bei einer anderen Person miterlebt haben, können über die Mailadresse #keinkompliment@marburg-biedenkopf.de ihre Erfahrung in anonymisierter Form mit Angaben zur Art des Übergriffes sowie der möglichst konkreten Angabe von Ort, Datum und Uhrzeit melden. Die Meldungen werden gesammelt, dokumentiert, geografisch zugeordnet und für die Weiterarbeit vorbereitet.
Am nächsten Aktionstag im Juni 2023 machen regionale Aktionsgruppen diese Übergriffe mit Kreide auf Asphalt an dem Ort sichtbar, wo sie stattgefunden haben. So soll nicht nur für das Thema sensibilisiert, sondern auch kommunale Entscheidungsträgerinnen und -träger auf sogenannte „Angsträume“ aufmerksam gemacht werden. Das sind Orte mit erhöhtem Bedrohungspotenzial für Mädchen, Frauen und Menschen aus der LGBT-Gemeinschaft.
Für die Ankreide-Aktion sucht das kommunale Frauen- und Gleichstellungsbüro auch Menschen, die diese Aktion tatkräftig unterstützen und im Juni 2023 einen Teil der Catcalls „ankreiden“ wollen. Die Mitarbeitenden des kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbüro des Landkreises stehen für Rückfragen per Mail an frauenbuero@marburg-biedenkopf.de zur Verfügung.

* pm: Landkreis Marburg-Biedenkopf

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