Zu Ostern feiert die Christenheit die Wiederauferstehung von Jesus. Sie symbolisiert den Sieg des Lebens über den Tod.
Ostern 2022 ist der Wunsch nach einem Sieg des Lebens über den Tod gewiss stärker denn je: Die Corona-Pandemie hat Millionen Menschen das Leben gekostet. Der Krieg in der Ukraine bringt die Schrecken eines verbrecherischen Angriffs auf ein europäisches Land ganz nah an die Grenzen der Europäischen Union (EU) heran.
Mehr als 750 Geflüchtete aus der Ukraine waren am Freitag (8. april) bereits in der Stadt Marburg registriert. Die Folgen des mörderischen Angriffskriegs sind damit auch in Marburg unübersehbar. Erfreulich ist die überbordende Hilfsbereitschaft der Bevölkerung gegenüber den Geflüchteten nicht nur in Marburg.
Die Aufnahme geflüchteter Menschen ist eine humanitäre Selbstverständlichkeit. Sie sollte jedoch nicht nur für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gelten. Die angesichts russischer Kriegsverbrechen – nun immer heftiger geführte – Debatte über Waffenlieferung drängt die Deutschen, in aller Windeseile Position zu beziehen in einem dramatischen Konflikt, der nahezu jeden in gleich mehrere moralische Dilemmata stürzt.
Wer Waffen weitergibt, verteilt damit todbringende Gerätschaften, die möglicherweise Menschenleben auslöschen, um andere Menschen zu retten. Diese Waffen verlängern einen brutalen Krieg, der nach dem Willen des russischen Diktators Vladimir Putin nur wenige Tage hätte dauern sollen, nun aber bereits mehr als 50 Tage lang tobt. Waffen zerstören Leben und Infrastruktur, beschädigen die Natur und das ohnehin schon stark belastete Klima.
Wer der Ukraine aber die geforderten Waffen verweigert, der überlässt die Menschen dort einer verbrecherischen Interventionsarmee, die ihre hässliche Fratze bereits in Budscha und anderen Orten der Ukraine auf brutale Weise gezeigt hat. Wer sich so aus der Verantwortung ziehen möchte, der verhält sich wie der römische Stadthalter Pontius Pilatus in der biblischen Passionsgeschichte, der dort zitiert wird mit den Worten: „Ich wasche meine Hände in Unschuld.“
Zynismus ist deswegen etwas, dem die Menschen angesichts dieses Dilemmas kaum entgehen können. Was auch immer sie tun; sie beteiligen sich so oder so an der Gefährdung von Menschenleben der Ukrainerinnen und Ukrainer ebenso wie der russischen soldaten, die nicht unbedingt alle freiwillig in diesen verbrecherischen Krieg gezogen sein dürften. Jede Waffenlieferung wird zum Präzedenzfall für eine weitere Militarisierung Europas, ebenso wie jede verweigerte Waffenlieferung zum „Sündenfall
„einer unterlassenen Hilfeleistung für ein von Vernichtungsphantasien bedrohtes Volk wird.
Die „frohe Botschaft“ der Christinnen und Christen zu Ostern mag da kaum jemanden wirklich trösten. Der verheißene „Sieg des Lebens über den Tod“ wird wohl erst Wirklichkeit werden, wenn die waffen wieder schweigen. Angesichts der Tatsache, dass das viele Menschen aus der Ukraaine wie auch aus Russland das orthodoxe Osterfest erst eine Woche nach dem katholischen und evangelischen feiern werden, bleibt leider aber nicht mehr viel Zeit, ihnen die Hoffnung auf ein „frohes Osterfest“ zu geben.
* Franz-Josef Hanke
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