Deutlich höher als erwartet fallen die Einnahmen der Stadt aus der Gewerbesteuer aus. Sie rechnet mit rund 570 Millionen Euro.
Die Bescheide sind noch vorläufig. Trotzdem sind , die Zahlen überwältigend: Um rund 370 Millionen Euro steigen die Gewerbesteuererträge der Stadt Marburg für 2021.
Das ist weit mehr als der gesamte städtische Haushalt inklusive Investitionen für das laufende Jahr. Mit 200 Millionen Euro mehr Gewerbesteuer als bisher rechnet Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies für 2022.
Vom immensen Geldregen profitiert die gesamte Region Die Stadt gibt nach ersten Schätzungen 70 Prozent davon als Umlagen an den Landkreis und das Land weiter.
„Dass es so viel wird, hatten wir nicht erwartet“, sagte Spies zur Mitteilung aus dem Finanzamt. Vor knapp zwei Wochen hat der Kämmerer erfahren, in welcher Größenordnung sich die Einnahmen verbessern werden.
„Marburg ist ja als traditionsreicher Biotech-Standort mit innovativen Pharma-Unternehmen große Schwankungen bei der Gewerbesteuer gewohnt“, erklärte Spies. Sie können in beide Richtungen gehen mit enormen Ausschlägen nach oben und nach unten. Die Dimension der aktuellen Ankündigung sprengt aber selbst für Marburger Verhältnisse den Rahmen – und alle bisherigen Verfahren.
„Das ist großartig, eine wirklich tolle Nachricht“, freute sich der Kämmerer. Im gleichen Atemzug erklärte Spies: „Wenn sich ein ganzer Jahreshaushalt plötzlich mehr als verdoppelt, muss man ganz tief durchatmen und die Sache nüchtern angehen.“ Das heißt: sorgfältig prüfen, die weitere Handhabung klären, intern wie extern, mit beteiligten Behörden sprechen von der lokalen bis zur Landesebene. „Und wir müssen sehr viel rechnen.“
Schließlich ist das Hessische Kommunale Finanzausgleichsgesetz kompliziert, der neue Steuerbescheid passt in keine Schablone. Fest steht nur: Wer überdurchschnittlich viel einnimmt in der Familie hessischer Städte und Gemeinden, muss auch überdurchschnittlich viel an die anderen abgeben. Und er bekommt selbst nichts mehr raus aus dem Solidaritäts-Topf.
Auf diese Weise profitiert die ganze Region vom Oberzentrum an der Lahn: Nach derzeitigem Stand wird Marburg rund 70 Prozent der Mehreinnahmen als Umlagen an den Landkreis Marburg-Biedenkopf und das Land Hessen abgeben. Von den 570 Millionen Euro für 2021 und 2022 gingen also 400 Millionen Euro ab.
„Das sind die Regeln; und das finden wir auch fair“, betonte Spies: „Den Erfolg, den die Menschen aus der ganzen Region hier am Standort Marburg schaffen, auch mit allen zu teilen.“
Überwiesen werden diese Umlagen an Kreis und Land wie immer zeitverzögert erst ab 2023. Die Mittel dafür sollen und müssen aber jetzt schon beiseitegelegt werden.
„Das einzukalkulieren ist wichtig für die Haushaltsberatungen“, warnte der Oberbürgermeister. Die politischen Gremien in Marburg stecken mittendrin in der Debatte über den Haushalt 2022. Die Stadtverordnetenversammlung (StVV) will ihn noch vor Weihnachten beschließen.
Im ersten Entwurf stand noch ein Minus von knapp 18 Millionen Euro. Der Zeitplan soll gehalten werden. Ddas Defizit jedoch ist klar vom Tisch.
Ganz im Gegenteil bleibt viel Geld übrig – für Investitionen für die großen Zukunftsaufgaben. Das gilt auch trotz der notwendigen Rückstellungen für die Umlagen. Und trotz eines Puffers für die Zeit, wenn sich der Wind aus Richtung Pharma-Standort wieder dreht.
Deshalb mahnte Spies bei aller Freude dringend zur Besonnenheit: „Wir dürfen jetzt auf keinen Fall in einen Rausch verfallen und Luftschlösser bauen.“ Die Wunschliste, die in den vergangenen Tagen bei ihm eingegangen sei, was man mit den vielen Millionen alles tun könne, „kostet jetzt schon dreimal mehr als wir tatsächlich in Aussicht haben“, berichtete der Oberbürgermeister.
Klar ist aber, dass ein Geldregen heute kein Garant für die Entwicklung von morgen ist, geschweige denn perspektivisch für die Zukunft. „Wir wollen die aktuellen Verbesserungen als einmaliges Ereignis behandeln. Ob sich Veränderungen verstetigen, werden wir erst nach mehreren Jahren verlässlich einschätzen können“, betonte der Kämmerer.
Mit deser nachhaltigen Herangehensweise sei Marburg bislang gut gefahren. „Wie schnell sich Situationen ändern können, haben wir ja gerade in der Corona-Krise gelernt“, erklärte Spies. Aber „wir haben jetzt die Mittel für einen echten Schub, um Marburg sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltig fit für die Zukunft zu machen.“
Als zentrale Themen nannte er den Klimaschutz mit energetischer Gebäudesanierung im großen Stil, die Verkehrswende inklusive Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), bezahlbaren und umweltverträglichen Wohnraum, soziale Gerechtigkeit, gute Schulen und Digitalisierung, Wirtschaftsförderung und schließlich die weitere Entwicklung des bedeutenden Biotech- und Pharma-Zentrums in Marbach und Görzhausen. „Wir sind sehr, sehr froh, dass der traditionsreiche Pharma-Standort in Marburg eine so erfolgreiche Entwicklung nimmt“, sagte Oberbürgermeister Spies abschließend.
„Marburg muss nicht erst ein Standort von Weltrang werden, wir sind schon einer“, betonte Spies. „Deshalb wissen wir auch um unsere Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die ansässigen Unternehmen hier langfristig weiterhin die bestmöglichen Rahmenbedingungen für ihren Erfolg haben.“ Dazu gehöre die konsequente Umsetzung des Masterplans Pharmastandort, denn „in Marburg haben wir längst ein Zukunftskonzept für den Standort.“
Dazu gehörten auch sehr gute Standort-Bedingungen für andere Gewerbetreibende, für Gründer*innen, Start-ups und für Innovation. Dazu gehöre die Philipps-Universität mit ihrer exzellenten Forschung, eine moderne und zukunftsfähige Infrastruktur nicht nur in der Stadt selbst, sondern auch in Verbindung zum Umland, gute und faire Lebensbedingungen und eine sichere, nachhaltige Entwicklung für die Menschen in Marburg und der ganzen Region.
* pm: Stadt Marburg
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