Die Sonne strahlt von einem blauen Himmel herab. Am Lahnufer drängeln sich die Menschen und genießen das milde Frühlingswetter.
Zu viert, fünft oder gar zu sechst sitzen sie dicht beisammen auf den Lahnterassen. Größere Gruppen flanieren am Lahnufer entlang und an der Mensa vorbei oder über den Elisabeth-Blochmann-Platz. Mundschutz oder Masken trägt hier niemand.
Derweil steigt die Zahl der Corona-Infektionen bundesweit. Die Reproduktionsrate „R“ ist innerhalb von drei Tagen von 0,84 auf 1,07 angestiegen. Die Zahl der Infizierten nimmt wieder zu.
Die dritte Welle von Covid 19 follt auch über den Landkreis Marburg-Biedenkopf hinweg. Gefährlichere Mutanten des Coronavirus breiten sich aus. Doch die Bevölkerung ist des Lockdowns und der Einschränkungen müde.
Wissenschaft und Politik ist es bislang nicht gelungen, die Verbreitungswege des Virus und wirksame Hygienekonzepte dagegen zu finden. Der Total-Lockdown kann jedoch kein Dauerzustand sein. Kurzfristig ist die massive Einschränkung der Grundrechte angesichts der drohenden Gefahr durch die Infektion zwar vertretbar; langfristig sind die Verantwortlichen aber in der Pflicht, intelligentere Wege des Umgangs mit der Pandemie zu suchen und dann auch rasch umzusetzen.
Die psychischen Folgeschäden sind jetzt schon gravierend. Immer mehr Menschen ertragen die Einsamkeit nicht mehr. Wenn ihnen nicht schnell Wege zu mehr Lebensqualität geöffnet werden, dann droht die massenhafte Missachtung der einschränkenden Regeln und damit letztlich eine gigantische Ansteckungswelle.
Kinder nehmen die Verantwortlichen zwar bereits in den Blick, aber auch Erwachsene leiden. Kindergärten und Schulen sind nicht nur ein wichtiger Lernort, sondern auch ein gefährlicher Verbreitungsort für Viren. Inelligente Unterrichtskonzeppte sind deshalb vonnöten.
Singles aus kleinen Wohnungen klagen über Klaustrophobie. Otatt Open-Air-Bewirtung zu untersagen, nimmt ihnen jede Möglichkeit der Nutzung ihres angestammten „Wohnzimmers“. Wer selber nicht kochen kann, muss leider leiden oder teure Lieferdienste in Anspruch nehmen.
Die Krisenkommunikation zu Corona ist auch nicht gerade gelungen. Dabei ist sie fast so wichtig wie die Bekämpfung der Infektion selbst, könnte sie doch im Idealfall die Menschen massenhaft motivieren, bestimmte Einschränkungen zu erdulden. Doch stattdessen plappert eine Kakofonie neunmalkluger Ministerpräsidenten wüst durcheinander und verunsichert alle noch mehr.
Jdem vernünftigen Menschen müsste klar sein, dass Osterurlaub während einer Pandemie ein völliger Irrsinn ist. Doch monatelang wurde den Leuten eine „Rückkehr“ zu „ihrem normalen Alltag“ versprochen, als könne es nach der Pandemie einfach genauso weitergehen wie vorher.
Nichts wird nachher genaus sein wie vorher. Das müssen die Menschen begreifen. Eine Pandemie ist eine Katastrophe ebenso wie ein Erdbeben oder eine Hungersnot oder ein Krieg, wo auch keiner mehr an „seinen Osterurlaub“ denkt.
In dieser Situation braucht die Bevölkerung klugen Rat. Doch nur wenige Verantwortliche schenken den Menschen reinen Wein ein, weil die meisten von ihnen ihre Wiederwahl wichtiger nehmen als dieses widerwärtige Virus. Transparenz und das Eingeständnis, vieles nicht zu wissen, gehören zu einem verantwortungsbewussten Handeln jetzt genauso dazu wie der Schutz der Belasteten und die Ermutigung aller zu gemeinsamen solidarischen Anstrengungen.
* Franz-Josef Hanke