Verlängerung: Mehr Empathie, Ehrlichkeit und Transparenz

Der Lockdown wird bis Sonntag (7. März) verlängert. Für viele Menschen ist das keine gute Nachricht.
Geschäftsleute und Kulturschaffende fürchten um ihre materielle Existenz. Je länder die Schließung von Läden, Restaurants und Kultureinrichtungen wegen der Corona-Pandemie andauert, desto größer werden die Sorgen. Einige Firmen werden wohl unwiederbringlich schließen müssen.
Diskutiert wird über die Belastung von Kindern. Kindergärten, Kitas und Schulen sollen als Erste wieder öffnen. Angesichts der psychischen Belastung der Kinder wie auch vieler Eltern ist das richtig.
Doch vergessen darf man bei alledem auch nicht die enorme emotionale und psychische Belastung vieler anderer Menschen. Am extremsten ist die Besorgnis bei Menschen, die schon vor Beginn der Corona-Pandemie an Problemen gelitten haben. Für Traumatisierte bringt der Lockdown und die erneute Erfahrung von bedrohlichen Ohnmachtsgefühlen möglicherweise eine gefährliche Retraumatisierung mit sich.
Die Suizidalität steigt dramatisch. Das haben aktuelle Studien schon gezeigt. Auf dieses Problem müssen alle achtgeben.
Die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung sind gefordert, rasch angemessene Antworten zu finden. Notwendig sind intelligente Öffnungskonzepte und hoffnungsvolle Perspektiven für die gebeutelten Menschen.
Mehr als peinlich ist die Tatsache, dass es offenbar immer noch keine validen Forschungsergebnisse zu sicheren Öffnungskonzepten gibt. Immer noch fehlen daten, welche öffentlichen Aktivitäten weniger und welche mehr Gefahren bergen. Solche Erhebungen müssen dringend beginnen.
Denkbar wäre wohl eine Öffnung von Außenbereichen vieler Restaurants mit Unterstützung von Heizstrahlern. Vorstellbar wären Kunstausstellungen außen an Museumswänden. Wünschenswert wären kurze Auftritte von Schauspielenden im öffentlichen Raum.
Kluge Konzepte der öffentlichen Ermutigung sind auch bei niedrigen Temperaturen umsetzbar. Sie sind dringend notwendig, damit die Menschen nicht den Mut und ihre Hoffnung verlieren. Die Bevölkerung benötigt Kultur als Balsam für die Seele und Anstoß für ein Nachdenken außerhalb der Angstspiralen.
arüber hinaus ist es aber auch wichtig, ehrlicher über die Pandemie zu berichten. Insbesondere der Landkreis Marburg-Biedenkopf befleißigt sich in seinen Pressemitteilungen über das Impfzentrum auf dem Messeplatz immer wieder einer – mit Superlativen und Vertrauen heischenden und gerade deshalb wenig überzeugenden – Werbesprache. Bei der Bekanntgabe der aktuellen Zahlen werden die Toten nur nebenbei genannt und damit ihrer Würde beraubt.
Berichte über unhaltbare Zustände in einem Altenheim in Moischt hat der Kreis als angeblich übertrieben abgetan. Zweifel an der Richtigkeit der errechneten Inzidenz ist die Pressestelle ziemlich pampig entgegengetreten. Dergleichen ist im höchsten Maße unprofessionell und zu Zeiten einer Pandemie überaus gefährlich.
Nur Ehrlichkeit und Transparenz sind geeignet, Zuversicht zu stärken. PR-Parolen hingegen stoßen bei einer Tod bringenden Pandemie nicht nur den Betroffenen und ihren Angehörigen bitter auf. Krisenkommunikation ist überlebenswichtig bei einer so bedrohlichen Entwicklung wie derzeit, wird aber leider sträflich verpfuscht.
In diesem Sinne ist zur Kreistagswahl am Sonntag (14. März) eine „Transparenzoffensive“ und eine Neuaufstellung der Pressearbeit des Kreises vonnöten. Den derzeit Verantwortlichen ist dabei kein böser Wille zu unterstellen, sondern mangelndes Einfühlungsvermögen und eine allzu starke Verhaftung in traditionellen Strukturen selbstbeweihräuchernder PR-Arbeit. Stattdessen braucht es Empathie und Ehrlichkeit sowie mehr Demut.
Alle Verantwortlichen arbeiten seit Monaten am Anschlag. Darum ist die Kritik nicht als Vorwurf misszuverstehen, sondern als Anregung zu mehr Mitgefühl gedacht. Wünschenswert wäre dabei auch ein möglichst parteiübergreifendes Anpacken der vielfältigen Probleme durch Politik, Gesellschaft, Nachbarschaften und Wahlberechtigte.

* Franz-Josef Hanke

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