Viermal Neugier: Sortierfunktion von Pilzen erforscht

Ein Pilz sortiert Zellwandproteine. Ein fachübergreifendes Team erforschte, wie ein Protein zu seinem Bestimmungsort findet.
Eine Marburger Forschungsgruppe aus Biologie und Chemie hat die Struktur eines Enzyms aufgeklärt, das zum Aufbau der Zellwand vieler Pilze wie Bäckerhefe oder Schimmel beiträgt. Das sei ein erster Schritt, um diese Organismen wirksam bekämpfen zu können. Die Fachleute veröffentlichten ihre Ergebnisse im Wissenschaftsmagazin „PNAS“.
Pilze sind allgegenwärtig, sie nisten sich in Gebäuden ein oder rufen Krankheiten hervor, andere machen sich bei der Nahrungsmittelproduktion nützlich.
„Die Bäckerhefe und andere Pilzarten weisen ungewöhnlich dicke Zellwände auf, die bis zu einem Drittel des Trockengewichts dieser Organismen ausmachen“, erklärte der Marburger Biologe Prof. Dr. Hans-Ulrich Mösch. Er ist einer der Leitautoren der Publikation. Diese Panzerung erlaubt es Pilzen, allen möglichen Stressfaktoren der Umgebung zu widerstehen.
„Die Zellwände tragen Oberflächenproteine“, ergänzte Prof. Dr. Lars-Oliver Essen vom Fachbereich Chemie der Philipps-Universität. Er ist ein weiterer Leitautor der neuen Studie.
„Diese Proteine ermöglichen es den Pilzen, sich am Untergrund anzuheften“, erläuterte Essen. „Das können Nahrungsquellen sein, aber auch die Gewebe von Tieren oder Pflanzen, wenn es sich bei den Pilzen um Krankheitserreger oder Schädlinge handelt.“
Wie gelangen die Proteine zur Zellwand?Um das herauszufinden, nahm das Forschungsteam das Enzym „Dfg5“ unter die Lupe; es sorgt dafür, dass die Oberflächenproteine zur Zellwand gelangen, statt in der darunterliegenden Membran zu verbleiben.
„Wir haben untersucht, wie Dfg5-Transglykosidasen dazu beitragen, dass sich die entsprechenden Proteine an der Oberfläche der Zellwand anheften können“, legte Essen dar. Für seine Untersuchungen verwendete das Team den Pilz „Chaetomium thermophilum“, der in Dung oder Kompost zu finden ist.
„Da diese Art ziemlich temperatur-unempfindlich ist, sind ihre Proteine weitaus stabiler für strukturbiologische Untersuchungen“, erläuterte Mitverfasserin Gesa Felicitas Schmitz. Ihre Doktorarbeit fertigt sie bei Mösch an.
Aufgrund der gewonnenen Daten entwirft das Forschungsteam eine Modellvorstellung davon, wie das Dfg5-Enzym arbeitet. Es beschreibt den Mechanismus als Sortiervorgang: Das Enzym erkennt, wie die Proteine in der Membran unterhalb der Zellwand verankert sind.
„Je nach Art des Ankers vermag es genau zu unterscheiden, ob ein Protein in die Zellwand weiter transportiert wird oder in der Plasmamembran verbleiben soll“, führte Essens Mitarbeiter Dr. Marian Samuel Vogt aus, der ebenfalls als Koautor firmiert. Diesen Transportmechanismus gibt es nur bei Pilzen, jedoch nicht bei Pflanzen und Tieren. „Unsere Befunde haben offengelegt, wo neue Wirkstoffe gegen Pilze ansetzen können, damit diese mit ihren Oberflächenproteinen nicht mehr dort anheften können, wo wir es nicht wünschen“, sagte Essen.
Essen lehrt Biochemie in Marburg. Mösch ist Professor für Genetik an der Philipps-Universität. Beide gehören auch dem Marburger „LOEWE“-Zentrum für Synthetische Mikrobiologie (SynMicro) an.
Neben ihren Arbeitsgruppen beteiligte sich der Chemiker Dr. Daniel Varón Silva vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam an der Studie. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die zugrundeliegenden Forschungsarbeiten über den Marburger Sonderforschungsbereich 987 „Mikrobielle Diversität in der umweltabhängigen Signalantwort“ unterstützt.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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