„Ich bin mit dem 1. Mai aufgewachsen“, erzählt Pit Metz. Seit sechs Jahren ist der Sozialpädagoge DGB-Kreisvorsitzender in Marburg.
Seine Mairede wird er dieses Jahr auf Video halten. „Corona verändert alles“, erklärt er. „Die Pandemie fördert aber auch viele Mißstände ans Licht der Öffentlichkeit, die vorher nicht ausreichend wahrgenommen wurden.“
Als Beispiel nennt Metz die prekäre Beschäftigung von Millionen Menschen. „Es reicht nicht aus, auf dem Balkon für Ärzte und Pflegepersonal oder Verkäuferinnen zu klatschen“, meint der Gewerkschafter; „die gesellschaftliche Anerkennung muss sich in nachhaltigen Lohnerhöhungen und familienfreundlichen Arbeitsbedingungen bei Kliniken, Pflegeheimen und Supermärkten oder Kitas niederschlagen“.
Entlarvend fand er die Aussage zum Jahresbericht 2019 der Rhön-Klinikum-Ag: Es sei noch nicht klar, ob sich die Corona-Krise auch in höheren Gewinnen des Unternehmens auszahlen werde. „Wer in dieser Situation nur an seine Profite denkt, offenbart damit die hässlichste Fratze des Kapitalismus“, meint Metz. „In Marburg kämpfen wir aber seit der Privatisierung des Universitätsklinikums dagegen, dass Gesundheitsversorgung zur Ware und das medizinische Personal sowie die Kranken zum Goldesel eines geldgierigen Konzerns gemacht werden.“
Seine kritische Einstellung gegenüber dem Kapitalismus hat Metz von Kindheit an in sich aufgesogen. „Bei uns zuhause war der Besuch des Gemeindepfarrers genauso selbstverständlich wie der von Kommunisten und Sozialdemokraten.“ erzählt er. Seine Eltern waren christliche Gewerkschafter, seine Großeltern auch schon fest verwurzelt in der Arbeiterbewegung.
„Mein Vater war Betriebsrat bei Freudenberg“, berichtet Metz. „Das ist der größte Betrieb in meiner ersten Heimatstadt Weinheim.“
Geprägt hat den kleinen Pit auch die jüdische Nachbarin, die von ihrem Ehemann in einem Erdloch unter einem Gartenhäuschen vor den Nazi-Schergen versteckt worden war. „Erst als die Amis kamen, hat er sie wieder herausgeholt“, berichtet Metz.
In seinem Elternhaus ging diese Holocaust-Überlebende ein und aus. Neben der festen Verankerung in den Gewerkschaften durch seine Familie erlernte er von ihr eine klare antifaschistische Haltung.
Als Einziger in der Familie durfte Pit studieren. Nach dem Abschluss seines Studiums der Sozialpädagogik trat er zunächst eine Stelle in der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt an. „1976 war ich der DKP beigetreten.“, berichtet Metz. Die Mitgliedschaft in der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) führte 1981 zu seiner Entlassung aus dem Vollzugsdienst.
Eine neue Stelle fand er bei der Deutschen Blindenstudienanstalt (BliStA) in Marburg. Dort wurde er zum Rehabilitationslehrer weitergebildet. Hier wurde er auch in den Betriebsrat und 1994 zu dessen Vorsitzendem gewählt.
Bis zu seiner Berentung ab 2017 blieb Metz im Betriebsrat. Mit der Strukturreform des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) wurde er 2014 dann zum Vorsitzenden des DGB-Kreises Marburg/Biedenkopf gewählt.
Bei seinen Maireden hat Metz in den zurückliegenden Jahren neben der sozialen Schieflage in Deutschland auch internationale Verwerfungen der Verteilungsgerechtigkeit sowie die immensen Ausgaben für Krieg und Umweltzerstörung kritisiert. „Gerade angesichts der Pandemie müssen wir nachhaltigere politische Entscheidungen treffen“, mahnt er. „Wenn wir jetzt nicht eine soziale und ökologische Ausrichtung der Wiederbelebung wirtschaftlicher Aktivitäten nach der Krise durchsetzen, droht mit der Klimakatastrophe gleich das nächste Debakel.“
Der Gewerkschafter ist aber zuversichtlich: „Noch nie war der Druck zur Veränderung so groß wie jetzt. Wir erleben jetzt, was Solidarität alles erreichen kann; und diese Erfahrung müssen wir dauerhaft in unserem Alltag festschreiben!“
Seine Wahl zum Spitzenkandidaten der hessischen Linken führte 2007 nicht zu seinem Einzug ins Landesparlament; wegen heftiger Kritik an seiner Vergangenheit in der DKP trat der Marburger schließlich zurück. Inzwischen ist er auch aus der Linkspartei ausgetreten.
Freie Zeit nutzt Metz manchmal zu Auftritten als Laiendarsteller. Im „Wirtshaus an der Lahn“ mimte er mit großem Vergnügen sehr glaubwürdig einen üblen Kapitalisten.
Daneben hat er zwei Erzählungen „Na ja – unsere Liebe reichte aus“ und „Das korallrote Sofa“ verfasst.“ Darin verarbeitet er Kindheits- und Jugenderfahrungen aus „meiner alten Heimat“ Weinheim. Der Umgang mit der Shoa und den Überlebenden nimmt darin eine zentrale Rolle ein. „Derzeit bereite ich mein drittes Buch vor“, erzählt Metz. „Dabei handelt es sich um eine Sammlung von satirischen Kurzgeschichten und humorigen Gedichten.“
Seine vielseitigen Begabungen und auch sein ehrenamtliches Engagement als Vorsitzender der Marburger Ortenberggemeinde haben Metz in Marburg inzwischen zu einem Original gemacht.
Seine Reden am 1. Mai sind jedes Jahr wieder ein Höhepunkt der Gewerkschaftsaktivitäten vor Ort. Die Covid-19-Pandemie mit der Verlagerung der Reden ins Internet könnte 2020 dazu führen, dass Metz nun auch überregional die Aufmerksamkeit erhält, die ihm in Marburg seit Jahren bereits zuteil wird.
* Franz-Josef Hanke