Vorkämpfer im Richtsberg: Historisches Stadtsiegel für Johann Georg Solms

Johann Georg Solms ist im Rahmen des Tags des offenen Denkmals mit dem Historischen Stadtsiegel der Universitätsstadt Marburg geehrt worden. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies hat ihm die Auszeichnung im Ökumenischen Zentrum Thomaskirche überreicht.
Dessen Bau hatte Solms als Architekt 1972 und 1973 entworfen und begleitet. Von der Auszeichnung wusste der Geehrte nichts, als der Oberbürgermeister ihn anlässlich des Tags des offenen Denkmals im Ökumenischen Zentrum in der Chemnitzer Straße überraschte, wo dieser Gäste durch „sein Haus“ führte.
„Sie haben sich gleich in zweifacher Weise um den Richtsberg verdient gemacht“, betonte Spies bei der Überreichung des Historischen Stadtsiegels an Solms. „Als Architekt haben Sie die bauliche und als Mitbegründer des Bewohnernetzwerks die soziale Struktur des Quartiers maßgeblich geprägt. Vielen Bewohner*innen sind sie dadurch zur Symbolfigur für das Viertel und zu einem Vorbild geworden.“
Solms ist für den Richtsberg eine wichtige historische Persönlichkeit. Er war Architekt des Vereinsgebäudes des Bewohnernetzwerks für Soziale Fragen (BSF) sowie des ökumenischen Gemeindezentrums Thomaskirche.
In enger Zusammenarbeit mit den künftigen Nutzenden hat er damit das erste ökumenische Gemeindezentrum der Bundesrepublik Deutschland entworfen und den Bau bis zur Einweihung im Jahr 1975 begleitet. Das Projekt entstand nach einem gewonnenen Architekturwettbewerb am oberen Richtsberg.
„Es ist nicht nur eine herausragende Architektur“, betonte Spies, „sondern eine besondere Idee, die dahinter steht“. In den 70er Jahren sei Ökumene noch völlig neu gewesen.
„Lange Zeit wurde Abstand gehalten“, und die gemeinsame Nutzung von Räumen für den Gottesdienst sei für viele noch unvorstellbar gewesen. „Was hier seinerzeit entstanden ist, das ist Vorbild für das friedliche Zusammenleben der Religionen“, lobte Spies.
Aber die Thomaskirche sei nicht nur als Gotteshaus konzipiert worden, sondern als Ort der Begegnung. Solms selbst habe einmal gesagt, das Gebäude werde bereits „Schuppen“ und „Werkstatthalle“ geschimpft.
„Ich hörte aber auch den Vorwurf, die hohen Räume seien Sakralarchitektur; beides trifft zu“, erklärte Solms. „Die Spanne der Möglichkeiten des Hauses reicht tatsächlich von Werkstatt bis Kirche.“
Etwas Besonders sei auch die aktive Beteiligung der Nutzenden gewesen, bemerkte der Oberbürgermeister. Schließlich habe die Stadt Marburg erst kürzlich ein Beteiligungskonzept erarbeitet, womit alle, auch die sonst nicht in vorderster Reihe stehen, mitreden können.
Das sei der beste Weg, Politikverdrossenheit entgegenzuwirken, sagte das Stadtoberhaupt. Diese Idee habe Solms bereits vor fast 50 Jahren verfolgt.
Beim Bau des Vereinsgebäudes des BSF am unteren Richtsberg war es das Ziel, einen Ort zu schaffen, der von möglichst vielen, auch unterschiedlichen Organisationen gleichzeitig genutzt werden kann, ohne dass sie sich gegenseitig stören. So entstand, entgegen der ersten Planungen, ein Haus mit vier Eingängen und einem großen Mehrzweckraum zur gemeinsamen Nutzung. Dadurch wurde eine gleichzeitige – aber auch individuelle – Nutzung von verschiedenen Organisationen möglich.
Dieses Konzept war wegweisend für das BSF, das Solms 1973 mitgegründet hat. Der Verein wurde unter Willi Brandts Motto „Demokratie wagen“ ins Leben gerufen. Noch heute gehört Solms dem Verein an und unterstützt ihn sowohl ideell als auch materiell.
Der Geehrte gab sich bescheiden, viele andere hätten großen Anteil gehabt und müssten geehrt werden.
„Ich war begeistert und habe mitgemacht“, sagte er. Danach brachte er mit dem Oberbürgermeister außen an die Thomaskirche ein Schild an, das auf den Status als Kulturdenkmal hinweist, den das Ökumenische Zentrum bereits seit 2015 hat.

* pm: Stadt Marburg

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