Exzellent: Land würdigt medizinische Lehre in Marburg

Medizinische Lehre ist in Marburg preisverdächtig exzellent. Das ist die gute Nachricht der Woche.
Der Fachbereich Medizin der Philipps-Universität erhält den Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre 2019 für Kurse zur Verbesserung der Patientensicherheit. Das Preisgeld beträgt 60.000 Euro.
Am Fachbereich wird das Thema Patientensicherheit in der Lehre großgeschrieben. Prof. Dr. Stefan Bösner und Dr. Egbert Opitz und ihr Team haben für das Kursprogramm „Klug entscheiden – Sicher behandeln“ für Medizinstudierende nun den Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre 2019 erhalten. Der Preis wurde in diesem Jahr zum zehnten Mal vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst ausgeschrieben und ist mit insgesamt 115.000 Euro dotiert. 60.000 Euro davon erhält die Philipps-Universität.
„Ich freue mich sehr, dass die Jury das Kursprogramm des Fachbereichs Medizin mit diesem wichtigen Preis würdigt. Die Auszeichnung verdeutlicht, dass die Philipps-Universität Marburg Lehrenden viel Raum gibt, aktuelle Herausforderungen ihres jeweiligen Faches für Studierende erfahrbar zu machen“, sagt Prof. Dr. Katharina Krause, Präsidentin der Philipps-Universität. „Mit dem Themenfeld Patientensicherheit nimmt der Fachbereich Medizin deutschlandweit eine Vorreiterrolle ein – eine außergewöhnliche Lehrsituation für die Studierenden, von der sie nur profitieren können.“
Aktuellen Daten zufolge kommt es in Deutschland bei zwei bis vier Prozent aller Krankenhausaufenthalte zu vermeidbaren Komplikationen. „Diese treten auch im ambulanten Bereich auf, allerdings gibt es dafür weniger Studiendaten. Besonders betroffen sind die Bereiche Arzneimitteltherapie und Diagnosestellung“, sagt Prof. Dr. Stefan Bösner, Allgemeinmediziner am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg. „Wenn es um die Gesundheit von Patientinnen und Patienten geht, ist jeder Fehler einer zu viel. Deshalb darf das Thema nicht totgeschwiegen werden – weder im Krankenhausalltag noch in den Arztpraxen und schon gar nicht in der Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern“, sagt Bösner.
Vor diesem Hintergrund entwickelten Prof. Dr. Stefan Bösner und Dr. Egbert Opitz mit einem Expertenteam unterschiedlicher Fach- und Berufsgruppen das Kursprogramm „Klug entscheiden – Sicher behandeln“ für Medizinstudierende im Praktischen Jahr (PJ), das auf drei Einzelkursen basiert: „Patientensicherheit – Wie kann ich meine Patienten vor einem vermeidbaren Schaden bewahren?“, „Clinical Reasoning“ und „Leitlinien-basierte Arzneimitteltherapie multimorbider Patienten“.
Dr. Egbert Opitz entwickelte zusammen mit erfahrenen Klinikern, Lehrkräften der Marburger Krankenpflegeschule, einer Mediatorin, einer Juristin und einem Berufspiloten mit kontinuierlicher Unterstützung der Geschäftsführung des Marburger Universitätsklinikums 2015 den Kurs „Patientensicherheit – Wie kann ich meine Patienten vor einem vermeidbaren Schaden bewahren?“. In diesem Kurs lernen die Studierenden die wichtigsten Fehlerquellen bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten sowie geeignete Gegenmaßnahmen kennen. Als Projektaufgabe analysieren sie Krankenakten eigener Patientinnen und Patienten auf mögliche Fehlerquellen und erarbeiten Verbesserungsvorschläge, die an die Klinikleitung gespiegelt werden. „Noch während ihres Studiums erhalten die Studierenden eine Rückmeldung zu bereits umgesetzten oder geplanten Verbesserungsmaßnahmen“, sagt Opitz. „Das ist sehr wichtig, um die eigene Selbstwirksamkeit zu erfahren“. Darüber hinaus können die Studierenden bei einem freiwilligen Segelflug-Schnupperkurs und einem Kletterkurs etablierte Sicherheitsmechanismen anderer Hochsicherheitsbereiche kennenlernen.
Prof. Dr. Stefan Bösner entwickelte mit seinem Team die Kurse „Clinical Reasoning“ und „Leitlinien-basierte Arzneimitteltherapie multimorbider Patienten“. Im Seminar „Clinical Reasoning“ werden den Studierenden verschiedene ärztliche Denk-, Handlungs- und Entscheidungsprozesse explizit gemacht. Das Lehrtandem, bestehend aus einem niedergelassenen Allgemeinarzt und einem internistischen Kliniksarzt, zeigt anhand von realen Fallbeispielen die Vielfalt diagnostischer Strategien, die in Klinik und Praxis zur Anwendung kommen. Durch Einsatz der „Think aloud“-Technik, bei der die Dozentinnen und Dozenten ihre jeweiligen diagnostischen Überlegungen laut aussprechen, können die Studierenden die Entscheidungswege erfahrener Ärztinnen und Ärzte besser nachvollziehen und reflektieren.
Der Kurs „Leitlinien-basierte Arzneimitteltherapie multimorbider Patienten“ stellt den Studierenden reale Medikationspläne und Befunde allgemeinmedizinischer Patientinnen und Patienten sowie die aktuellen ärztlichen Behandlungsleitlinien der jeweiligen Krankheit zur Verfügung. In Kleingruppen diskutieren die Studierenden mit einem Allgemeinmediziner und einem Klinischen Pharmakologen gefährliche Behandlungsverläufe, auf die sofort reagiert werden muss, um diese sicherer zu erkennen. Darüber hinaus erwerben sie die Kompetenz, allgemeine Therapieempfehlungen mit den Präferenzen der jeweiligen Patientinnen und Patienten abzugleichen und bestehende Medikationspläne in sinnvoller Weise umzustellen bzw. zu kürzen.
Die drei unter dem Kursprogramm „Klug entscheiden – Sicher behandeln“ zusammengefassten Kurse sind in dieser Form einzigartig in Deutschland. „An der Philipps-Universität können Medizinstudierende über das Basiswissen zur Patientensicherheit hinaus auch die Basiskompetenz zur Durchführung realer Projekte zur Erhöhung der Patientensicherheit erwerben“, sagt Dr. Egbert Opitz. Den Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern wird darüber hinaus bescheinigt, dass sie die Anforderungen der Stufe II des Fortbildungskonzepts „Patientensicherheit“ der deutschen Ärzteschaft erfüllen. Dem ausgezeichneten Lehrteam gehören an:
Prof. Dr. Peter Alter, Prof. Dr. Annette Becker, Prof. Dr. Stefan Bösner, Prof. Dr. Frank Czubayko, Prof. Dr. Norbert Donner-Banzhoff, Adina Ende, Daniela Falkenberg, Dr. Marcel Goedecke, Dr. Sylvia Heinis, Antje Inselsberger, Dr. Andreas Jerrentrup, Nora Jochens, Dr. Ina Kluge, Dr. Beate Kolb-Niemann, Prof. Dr. Christoph Nies, Dr. Egbert Opitz, Dr. Martin Sassen, Prof. Dr. Jürgen Schäfer, Gabriele Schwarz, Alexander Wild, Prof. Dr. Thomas Worzfeld und Prof. Dr. Hinnerk Wulf.
Der Hessische Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre ist deutschlandweit der höchst dotierte und einer der renommiertesten Lehrpreise und wird für herausragende und innovative Lehrleistungen verliehen. Prof. Dr. Stefan Bösner erhält den Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre bereits zum zweiten Mal. Im Jahr 2012 wurde er für das Seminar „Differentialdiagnose in der Primärversorgung“ ausgezeichnet.

* pm: Philipps-Universitätzei Marburg

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