Für eine offene Gesellschaft: 1.400 Menschen demonstrierten in Bauerbach gegen Gauland

Demonstration

Demonstranten vor dem Bürgerhaus in Bauerbach

„So viele Besucher hatte Bauerbach noch nie“, denke ich. Währenddessen stehen die Einwohner an ihren Häusern und beobachten die Demonstranten.

Circa 50 Menschen und ich stehen am Hauptbahnhof und warten auf einen Bus. Er soll uns zu den Lahnbergen bringen. Von dort aus wollen wir zu einer Demonstration in Bauerbach laufen.
Gegen den Wahlkampfauftritt vom Anführer der „Alternativen für Deutschland“ (AfD) Alexander Gauland wollen die Menschen in Bauerbach demonstrieren. Veranstalter der Demonstration ist die „Seebrücke Marburg“.
Mittlerweile sind wir 80 Menschen. Ich gehe zu drei Demonstrierenden hin. Zwei von ihnen halten Schilder hoch. Auf einem Steht „Gauland wegstrachen“, eine Anspielung auf den österreichischen Vizekanzler, der nach der Veröffentlichung eines korrupten Videos von allen Ämtern zurückgetreten ist.
Alexander Gauland ist schon mehrmals wegen Grenzüberschreitender Aussagen aufgefallen. Zum Beispiel nannte er die Zeit des Nationalsozialismus „nur einen Vogelschiss in der deutschen Geschichte“.
Circa 100 Menschen stehen jetzt auf dem Bahnhofsvorplatz. Manche haben sich in Banner gewickelt und tragen Flaggen. Andere haben selbst gebastelte Schilder mitgebracht.
Dann kommt auch schon der Bus. Mit der Linie 7 fahren wir auf die Lahnberge, um von dort aus nach Bauerbach zu laufen.
Schon im Vorfeld wurde kritisiert, dass das Bürgerhaus in Bauerbach an den Ortsverband der AfD vermietet wurde. Oberbürgermeister Thomas Spiess stellte auf der Demonstration jedoch klar, dass es keine rechtlichen Mittel gebe, um die Vermietung zu verbieten.
Bei den Lahnbergen angekommen, marschieren mittlerweile 200 Demonstranten mit. Am Anfang und am Ende halten Leute Transparente hoch. Musik wird gespielt und es herrscht eine friedvolle Stimmung. Wir laufen beim Max-Plank-Institut vorbei und hinter uns begleitet und ein Polizist auf seinem Motorrad.
Die Demonstranten laufen so schnell, dass ich immer wieder den Anschluss verliere. Mit der Zeit gewöhne ich mich aber an das Tempo. Immer wieder singen sie Parolen wie „Alerta, Alerta, Antifascisca“.
50 Demonstranten haben schon auf der Landstraße kurz vor Bauerbach auf uns gewartet. Mit einer Sitzblockade wollen sie die Zufahrt von Gauland nach Bauerbach verhindern.
Als wir ankommen bricht großer Jubel aus. Nicht von allen Seiten, denn die Autofahrer sind genervt davon, dass ihnen keiner Bescheid gesagt hat. Weil die Demonstranten die Straße blockieren, können sie nicht durchfahren.
Die Demonstranten setzen sich hin. Sie spielen Mikado mit Stöcken und unterhalten sich. Musik dröhnt aus einer großen Box. Nach einer halben Stunde gibt es die Nachricht, dass Gauland nicht durchgekommen ist. Die Leute klatschen und freuen sich.
Immer wieder werden Parolen gerufen. Für die Demonstration wurden bekannte Lieder umgeschrieben. Aus „tausendmal berührt“ wurde „tausendmal blockiert“.
Mittlerweile sind wir wieder weniger Menschen, da einige schon zu der Demonstration in Bauerbach gelaufen sind. Nach einer Stunde laufen auch wir endlich wir los. Gauland ist anscheinend doch angekommen.
Hinter uns wurde das Motorrad durch ein modernes Auto ausgetauscht. In dem Auto sind Zivilpolizisten, die die Demonstration fotografieren. „Bitte Lächeln“ ruft ein Veranstalter belustigt.
Mit 150 Menschen laufe ich nach Bauerbach. Manche Einwohner stehen an ihren Gärten und beobachten das einzigartige Spektakel. Die Demonstranten rufen sie dazu auf, sich anzuschließen. Einige schließen sich an, andere verstecken sich hinter ihren Handykameras.
Ein Mann klebt einen „FCK-ADF“ Aufkleber an ein Auto, merkt aber nicht, dass die Zivilpolizei uns begleitet. Als ihn jemand darauf anspricht geht er nochmal zurück und zieht den Aufkleber wieder ab. Aus dem Auto der Polizisten kommt ein Daumen nach oben.
800 Menschen demonstrieren am Bürgerhaus in Bauerbach als wir ankommen. Sie rufen, schreien und hauen auf eine Trommel, um die Veranstaltung zu stören. Sie rufen „nie wieder Gauland“ und „Ganz Marburg hasst die AfD“.
Die Polizeipräsenz ist hoch, der Eingang vor dem Bürgerhaus ist abgesperrt. Es gibt zwei Demonstranten-Blöcke, die links und rechts neben dem Bürgerhaus sind. Ich stehe links.
Die Demonstranten sind nicht nur aus Marburg gekommen. Auch die Einwohner am Bürgerhaus stehen an ihren Gärten und unterstützen lautstark den Protest. Sie haben ein buntes Transparent gebastelt und aufgehängt, damit Gauland es lesen kann. „Bauerbach ist Buntland, nicht G(r)auland“ steht darauf.
Auch Menschen, die nicht am Bürgerhaus wohnen haben Transparente in ihren Garten gehängt oder die Europa-Fahne hochgezogen. Es ist immer noch laut, auch am rechten Teil der Demonstration, wo ich jetzt stehe.
Es gibt zwei Boxen, aus denen Musik schallt und ein paar Menschen tanzen. Ein Veranstalter teilt durch ein Mikrofon mit, dass gerade eine Fragerunde im inneren des Bürgerhauses stattfindet und gibt den Demonstranten die Anweisung, alles zu geben. Dann wird es ohrenbetäubend laut.
Mit Händen in der Luft, entweder mit ausgestrecktem Mittelfinger oder zum Klatschen, geben die Demonstranten nochmal alles. Sie singen, schreien, brüllen und klopfen auf Gegenstände, alles kommt zusammen. Die Leute die noch da sind machen einen riesigen Lärm.
Die Menschen schwenken ihre Fahnen und halten Plakate hoch. Ein Plakat ist besonders auffällig. Eine Auflistung, was an der AfD alles „doof ist“ steht darauf.
Es herrscht eine Stimmung des Zusammenhalts. Egal ob jung oder alt, männlich oder weiblich, mit Migrationshintergrund oder ohne, alle sind nach Bauerbach gekommen um gegen die AfD zu demonstrieren.
Nach und verlassen immer mehr Menschen die Demonstration. Vielleicht müssen sie früh schlafen, um morgen bei der nächsten Demo in Frankfurt gut ausgeschlafen zu sein.

*Luca Mittelstaedt

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