Von Behinderten für Behinderte: Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung Auf der Weide

Eine unabhänige Beratungsstelle zur Teilhabe von Behinderten entsteht Auf der Weide. Der hessische Finanzminister Dr. Thomas Schäfer, Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies und Landrätin Kirsten Fründt nahmen am Freitag (24. August) an der Eröffnung teil.
Mit dem neuen Bundesteilhabegesetz soll die Anforderung der UN-Behindertenrechtskonvention (UNBRK) umgesetzt werden, gesellschaftliche Barrieren zu beseitigen und allen Menschen mit Beeinträchtigungen uneingeschränkte Teilhabe, Partizipation zu ermöglichen. Ein wesentlicher Baustein dafür ist die neu eingeführte „ergänzende unabhängige Teilhabeberatung“ (EUTB).
Letztendlich werden alle Ratsuchenden, die sich mit ihrer Problemsituation allein gelassen fühlen und nur allzu leicht im Gestrüpp der Sozialleistungen verfangen, eine Anlaufstelle bekommen. Sie soll dem Anspruch genügen, Orientierungshilfe zu geben, Problemlagen zu klären, den Zugang zu sozialen Leistungen zu verbessern und Chancen zur Teilhabe zu eröffnen. In der ganzen Bundesrepublik sind mit dem Inkrafttreten der neuen Regelung ab 1. Januar 2018 annähernd 500 Beratungsstellen entstanden.
Die Beratungsstelle ist ergänzend, denn sie ersetzt nicht das vielfältige und gut entwickelte Beratungsangebot von Einrichtungen, Selbsthilfegruppenund Leistungsträgern der Region. Vielmehr sorgt sie dafür, diese Beratungsressourcen zu verknüpfen, eine Lotsenfunktion zu übernehmen und deren Kompetenzen für jeden Ratsuchenden zu aktivieren.
Die Beratungsstelle ist unabhängig, denn sie ist – anders als bei Leistungsträgern – frei von Überlegung zu entstehenden Kosten. Außerdem ist sie frei von Interessen der Einrichtungen, Menschen mit ihren Angeboten versorgen zu wollen.
Die Beratung ist parteilich für die Ratsuchenden, deren Problemlagen, Wünsche und Bedürfnisse im Zentrum stehen. Sie arbeitet nach den Grundsätzen des „peer counseling“: Betroffene beraten Betroffene, denn die Beratenden haben einen persönlichen Hintergrund mit dem Thema „Behinderung“, um aus ihren eigenen Erfahrungen und ergänzt durch eine professionelle Ausbildung in „peer-Beratung“ anzubieten.
Die Beratungsstelle hat den Anspruch, Ansprechpartner für alle Menschen mit Behinderung oder Personen zu sein, die von Behinderung bedroht sind. Das gilt unabhängig davon, ob es um körperliche, seelische, kognitive oder Sinnesbeeinträchtigungen geht.
Die Beratungsstelle wird zu 95 Prozent aus Bundesmitteln gefördert. Vorerst erfolgt diese Finanzierung für die nächsten fünf Jahre. Die Aufbringung der restlichen Kosten ist noch nicht abschließend geklärt.
Derzeit wird sie durch das Netzwerk abgesichert. Innerhalb der fünf Jahre wird die Wirkung und Leistungsfähigkeit der Beratung überprüft, um die dauerhafte Verankerung dieses Angebots sinnvoll zu gestalten.
Die EUTB ist ausgestattet mit zwei Vollzeitpersonalstellen. Verteilt sind sie auf fünf Personen, die einen breiten Erfahrungshintergrund mitbringen.
Auf der Weide 1 hat das Netzwerk optimale äußere Voraussetzungen gefunden. Die Räume sind gut erreichbar, weitgehend barrierefrei und können neben der Beratung auch Räumlichkeiten für Treffen und Fortbildungen anbieten. Aus Mitteln des Netzwerkes wurden die hohen Kosten für die erforderlichen Investitionen aufgebracht.
Die Trägerorganisationen hoffen indes auf eine Entlastung durch die beantragten Zuschüsse. Hier gibt es positive Signale der Stadt Marburg.
Die Beratungsstelle wird von einem großen Netzwerk vieler beteiligter Einrichtungen und Initiativen gemeinschaftlich getragen. In einem bemerkenswerten Verständigungsprozess ist es gelungen, eine Kooperation herzustellen, die gemeinsamen Ziele zu formulieren und – vertreten durch den Verein zur Förderung der Integration Behinderter (fib) – den Antrag auf Genehmigung der Beratungsstelle zu stellen.
Das Netzwerk hat sich in der Zwischenzeit zum Verein „Netzwerk für Teilhabe und Beratung – Verein für ergänzende unabhängige Beratung von und für Menschen mit Behinderung“ (NTB) entwickelt. Mittlerweile ist er ins Vereinsregister eingetragen und seine Gemeinnützigkeit anerkannt.
Er soll Träger der Beratungsstelle sein. Ein siebenköpfiger Vorstand ist für die Umsetzung des gemeinsamen Vorhabens verantwortlich.
Die ersten Beratungsanfragen sind bereits angekommen und das Interesse ist riesengroß. Mit der Einstellung der Berater und der Eröffnung der Beratungsstelle sind nun die Voraussetzungen für den endgültigen Start gegeben. Die Verantwortlichen sehen sich schon jetzt darin bestätigt, dass die breite Verankerung der neuen Beratungsstelle mit den vielfältigen Verknüpfungen in der Region genau der richtige Ansatz ist, um eine erfolgreiche Arbeit zu entwickeln.

* pm: Netzwerk für Teilhabe und Beratung

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