Ein Großteil der Büros im Landgrafenhaus kann wieder genutzt werden. Nach einem Gutachten hat ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren zu Deckeneinsturz geführt.
Das finale Gutachten zum Deckeneinsturz in einem großen Hörsaal im Landgrafenhaus der Philipps-Universität liegt vor. Der Einsturz der Decke in der Nacht vom 2. zum 3. Dezember 2023 lässt sich demnach nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen, sondern auf ein – in dieser Form einmaliges – Zusammenwirken mehrerer Faktoren: Gründe waren Materialermüdung aufgrund von Korrosion im Inneren von Stahlstäben und flachen Stahllaschen in der Aufhängung der Deckenbalken. Die Korrosion war von außen nicht sichtbar.
Initial für die Korrosion wird das Zusammenwirken zweier Faktoren angenommen: erhöhte Feuchtigkeit (Kondensation) an der – 2010/11 aufgebrachten – Dämmschicht infolge abgesenkter Heiztemperatur aufgrund der Pandemie sowie erhöhte Last auf der Decke durch Dämmung und Lüftung haben neben dem schnellen Temperaturabfall unter den Gefrierpunkt in der Nacht zum 3. Dezember 2023 zu der Katastrophe geführt. Hinzu kam eine uneinheitliche Stahlqualität und daher insgesamt verminderte Festigkeit. Der Stahl wurde im Ersten Weltkrieg produziert.
Durch das Zusammenwirken aller Faktoren wurde die Last der Zwischendecke in der Nacht zum 3. Dezember 2023 wahrscheinlich zu groß für das Tragsystem. Nach der Materialprüfung wird davon ausgegangen, dass zunächst eine Aufhängung an einem Stahlstab versagte und danach eine kinetische Kettenreaktion einsetzte, die zum Einsturz der Decke führte.
Deren Konstruktion aus den Jahren 1915/16 war an der Universität einmalig. Die weitgespannte Decke war an 12 Stahlstäben aufgehängt. Flache Stahllaschen am unteren Ende jedes Stabes umfassten vier große Holzbalken, die die eigentliche Zwischendecke trugen. Insgesamt haben beim Einsturz 9 Aufhängungen versagt, acht Mal die Stahllaschen und einmal ein Stab.
Nach dem Deckeneinsturz wurden im Gebäude ausgewählte tragende Bauteile intensiv statisch überprüft. Dazu wurden an verschiedenen – von zwei unabhängigen Statik-Büros vorgegebenen Stellen – Decken und Fußböden geöffnet, um das Baumaterial zu prüfen und anhand der Ergebnisse die Statik einzelner Räume und des gesamten Gebäudes zu berechnen.
Das Ergebnis dieser Prüfung liegt nun ebenfalls vor. Danach erfüllt ein Großteil des Gebäudes die statischen Anforderungen an die Nutzung. Büros und Räume im Gebäudeteil zur Universitätsstraße können großenteils im ersten Quartal 2025 wieder bezogen werden. Die Räume sind in den vergangenen Wochen für den Bezug hergerichtet worden. Die Öffnungen in Decken und Fußböden wurden wieder geschlossen.
Im Gebäude gibt es insgesamt vier Hörsäle. Drei davon sollen zum Wintersemester 2025/26 wieder nutzbar sein. Vorsorglich werden bei zweien die Deckenkonstruktionen verstärkt. Bei einem weiteren wird die Unterdecke erneuert. Die Büros, die über den beiden kleinen Hörsälen liegen, können ebenfalls erst voraussichtlich zum Wintersemester 2025/26 genutzt werden.
Die Planung für den großen Hörsaal kann nun nach Vorliegen des finalen Gutachtens anlaufen. Bis der Hörsaal wieder genutzt werden kann, werden voraussichtlich mehrere Jahre vergehen. Derzeit steht die Nutzung der anderen Gebäudeteile im Vordergrund.
Die Kosten für die Wiederherstellung der Büros und der kleineren Hörsäle werden derzeit auf zirka 600.000 Euro geschätzt. Für die Wiederherstellung des großen Hörsaals kann derzeit noch keine Kostenschätzung abgegeben werden, da die Planung dafür noch nicht weit genug fortgeschritten ist.
* pm: Philipps-Universität Marburg