Handyoten: Die digitale Demenz der Demokratie

Wer in diesen Wochen einen Stadtbus besteigt, der schweigt. Fast alle Fahrgäste starren gebannt auf ihr Handy.

Einige wischen über ihr Display. Andere halten das Gerät nur in der Hand und schauen kurz zum Fenster hinaus. Doch dann senkt sich ihr Blick sofort wieder auf das Handy.
Marburger Lehrkräfte wissen beredt ein Lied davon zu singen: Viele ihrer Schülerinnen und Schüler sind zwar körperlich anwesend, doch ihre Aufmerksamkeit richtet sich auf Ihre Apps. Selbst wenn sie ihr Handy einmal aus der Hand legen, sind sie weiterhin sehr weit weg.
Aufmerksamkeit und Begeisterungsfähigkeit waren gestern. Konzentrationsschwäche und Antriebslosigkeit sind heute die Regel. Bücher lesen oder sich selber in der Natur betätigen ist megaout.
Was da auf Facebook, Tictoc oder „X“ und anderen Kanälen über die – nicht immer nur jungen – Leute hereinflutet, das ist häufig ausgemachter Unsinn. Lügen und Hetztiraden sind so allgegenwärtig geworden, dass viele sie nicht mehr von der Wahrheit unterscheiden können. Anstand und Achtsamkeit sind dem Hype und Hass gewichen.
Wer argwöhnt, die allgemeine Volksverdummung sei gewollt, der mag dabei vielleicht nicht nur an den Multimilliardär Elon Musk denken, der die Wahlkampagne von Donald Trump mit dreistelligen Millionenbeträgen gesponsort hat. Auch der russische Kriegstreiber Vladimir Putin dürfte einiges dafür getan haben, dass Desinformationskampagnen die Demokratien in Europa und anderswo erschüttern. Georgien lässt grüßen.
Die digitale Demenz der Demokratie macht auch vor Marburg nicht Halt. Das lässt das <a href=“http://marburg.news/?p=15768″>Abstimmungsergebnis zum Bürgerentscheid über „MoVe 35″</a> vermuten. Kein vernünftiger Mensch hätte gegen das Mobilitäts- und Verkehrskonzept für angewandten Klimaschutz und eine Verlagerung des Verkehrs weg vom Auto stimmen dürfen, wenngleich die Anbindung der Außenstadtteile immer noch grottenschlecht ist.
Aber die Hirne haben das Denken beinahe schon ganz verlernt, weil sie kaum noch trainiert werden, da sie sich ja nichts mehr merken müssen. Google weiß doch alles, was man wissen muss! Youtube berieselt doch alle, die vor Langeweile umkämen, wenn sie sich einmal mit sich selbst beschäftigen müssten.
Auch wenn diese Kritik der praktischen Unvernunft im Internet erscheint, wird sie wohl kaum jemand lesen. Sie steht schließlich nicht in den sogenannten „Social Media“, sondern auf einer popeligen Plattform namens <a href=“http://marburg.news“ target=“_top“>marburg.news</a>.

* <a href=“http://marburg.news/team/fjh“>Franz-Josef Hanke</a>

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