Wie kann Digitalisierung die Lebensqualität im Alter steigern? Dazu gab ein Netzwerktreffen „Gesundheit, Pflege und soziale Hilfen“ Impulse.
Die Digitalisierung hat das Potential, die Lebensqualität auch im Alter erheblich zu verbessern. Das wurde in verschiedenen Beiträgen von Expertinnen und Experten im Rahmen der Gesamtkonferenz des Netzwerks „Gesundheit, Pflege und Soziale Hilfen“ im Landratsamt deutlich. Zu Gast waren 90 Interessierte aus dem Gesundheits- und Pflegebereich.
„Digitale Hilfen bieten viele Chancen und Unterstützungsmöglichkeiten““, sagte Landrat Jens Womelsdorf. „Deshalb sollten wir uns klarmachen, dass beim Voranbringen der Digitalisierung nicht alles schlecht läuft, sondern dadurch auch immer mehr Annehmlichkeiten entstehen.“
Wichtig sei dabei auch, offen für neue Wege zu bleiben und sich mit neuen Angeboten auseinanderzusetzen. Digitale Hilfen könnten schließlich für alle Teile der Bevölkerung Unterstützung sein, nicht nur für junge Menschen. Die erheblichen Vorteile der Digitalisierung merke er als Landrat in seiner täglichen Arbeit selbst immer stärker. Potentielle Risiken gelte es grundsätzlich natürlich trotzdem zu berücksichtigen.
„Digitale Anwendungen im Alltag zu nutzen ist für viele – auch ältere – Menschen eine Selbstverständlichkeit geworden“, machte auch Dr. Constanze Schul deutlich. „Insbesondere die Corona-Pandemie war hier noch mal ein Beschleuniger für die digitale Vernetzung, zumal es kaum mehr möglich ist, sich dem zu entziehen.“
Schul ist stellvertretende Leiterin des Kreis-Gesundheitsamts. Dort leitet sie das Team „Pflegestützpunkte und Altenplanung“.
Ein Schwerpunkt der Veranstaltung lag auf digitalen Hilfen, die insbesondere älteren Menschen dabei helfen können, möglichst lange im eigenen Zuhause wohnen zu bleiben. Gesellschaftswissenschaftlerin Melanie Heußner von der Hessischen Fachstelle für Wohnberatung ging auf die wichtige Kernaussage der Studie „Uncover: SmartAgeing“ ein, die sich mit Digitalisierung und Wohnen auseinandersetzt: Demnach seien Selbstbestimmung und Eigenständigkeit für ein gutes Leben im Alter entscheidend.
Hier könne Technologie unterstützen. Je klarer erkennbar der Mehrwert für die Menschen sei, desto höher falle die Akzeptanz aus, solche Mittel zu nutzen, zumal laut der Studie eine große Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Neuerungen für ein erfülltes und eigenständiges Leben im Alter bestehe. Gleichzeitig würden sich ältere Menschen häufig wünschen, dass ihre Bedürfnisse bei der Entwicklung von Technologie noch stärker berücksichtigt würden. Insbesondere die Möglichkeit, durch digitale Technologien viel in Kontakt mit Familie und Freunden zu sein, sei ein Wunsch nicht nur junger, sondern auch fortgeschrittener Altersgruppen.
Zudem stellte Heußner die Ergebnisse einer Befragung vor, in der deutlich wird, dass die Mehrheit ein digitales Zuhause mit Überwachung durch digitale Anwendungen dem Pflegeheim vorzieht. Das geht inzwischen bereits über Assistenzsysteme, die zum Beispiel Auffälligkeiten des überwachten Verhaltensmusters registrieren und ohne manuellen Knopf eigenständig den Notruf wählen können. Gleichzeitig ging Heußner auch auf den Aspekt Datenschutz ein.
Daher könne sich eine Fachberatung vor der Einrichtung eines solchen Systems lohnen. Eine Online-Wohnberatung gibt es beispielsweise unter <a href=“http://www.online-wohn-beratung.de“ target=“_blank“>www.online-wohn-beratung.de</a>.
Auch auf das hessische „Technikkoffer-Projekt“ ging Heußner ein: Der Koffer kommt bei der Wohnberatung zum Einsatz, vorgesehen ist je ein Koffer für mindestens eine Wohnberatungsstelle in allen hessischen Landkreisen und kreisfreien Städten.
In den Pflegestützpunkten im Landkreis Marburg-Biedenkopf kommen ebenfalls zwei Technikkoffer zum Einsatz. Darin enthalten sind beispielhafte Produkte, die Wohnberaterinnen und Wohnberater für ihre Beratungen und Veranstaltungen nutzen und praxisnah digitale Werkzeuge wie ein Herdwächter oder privates Notrufsystem zeigen können. Ein Beispiel aus der Praxis für die erfolgreiche Implementierung von digitalen Hilfen in der Seniorenarbeit zeigte das Projekt „Hoffnungsschimmer 22″“, das federführend durch Diana Gillmann-Kamm vom Diakonischen Werk umgesetzt und vorgestellt wurde.
Wie digitale Verfahren dabei helfen, bürokratische Hürden abzubauen und Verfahren zu erleichtern, erfuhren die Gäste auch anhand von kurzen Videos. Neben den angeblichen Vorteilen der elektronischen Patientenakte – unter anderem durch die erleichterte Datenübermittlung – wurde beispielsweise auch der Nachrichtenempfang und -versand mit „KIM“ vorgestellt. Das ist die Abkürzung für „Kommunikation im Medizinwesen“.
„KIM“ wird für die elektronische Übermittlung medizinischer Dokumente genutzt. So können verschiedene medizinische Einrichtungen sicher und deutlich schneller als analog miteinander kommunizieren „Digital-Lotsen“.
Der IT-Sicherheitsbeauftragte Olaf Kirsch vom Landkreis Marburg-Biedenkopf zeigte in seinem Impulsvortrag die Grundregeln des sicheren Umgangs mit digitalen Medien auf. Unterstützungsangebote von ehrenamtlich engagierten Menschen sollen anderen Menschen bei Bedarf helfen, digitale Angebote zu nutzen und am digitalen Alltag teilzuhaben. Dabei haben sie die Möglichkeit, Kenntnisse zu erwerben und persönliche Erfolgserlebnisse im Umgang mit digitalen Medien zu haben. Die Lotsinnen und Lotsen unterstützen einzelne Personen, aber auch Vereine und Initiativen beim Aufbau digitaler Kompetenzen, indem sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen niedrigschwellig weitergeben.
Die Einsatzbereiche orientieren sich dabei an den Bedürfnissen der Hilfesuchenden. Laut Susanne Batz gibt es aktuell über 30 freiwillige Lotsinnen und Lotsen im Kreis, die Angebote an fast 20 Orten im Landkreis vorhalten.
Solche Gesamtkonferenzen wie nun 2024 finden alle fünf Jahre statt und werden durch die Pflegestützpunkte des Landkreises organisiert. Dort treffen und vernetzen sich alle drei Netzwerkregionen der Pflegestützpunkte im Landkreis. Sie sind nach Regionen aufgeteilt.
Ziel der Netzwerke ist der Austausch zum Beispiel über Informationen zu neuen Angeboten im Landkreis im Bereich Gesundheit und Versorgung. Die einzelnen Regionen treffen sich ein- bis zweimal jährlich. Dort nehmen unter anderem Vertreterinnen und Vertreter von Altenheimen, Pflegediensten, Bürgerhilfen und Betreuungsvereinen teil. Aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kommunen, Hospizdiensten oder auch Ärztinnen und Ärzte.
* pm: Landkreis Marburg-Biedenkopf