85 Jahre danach: Leeres Geschwätz oder Lehren aus der Geschichte

Am 1. September 1939 hat die deutsche reichswehr auf Befehl von Adolf Hitler Polen überfallen. Das Datum gilt als Beginn des 2. Weltkriegs.
„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“, schworen Überlebende nach Kriegsende 1945. Eine weitere Konsequenz des Massenmords an Millionen Menschen war die Verankerung des individuellen Grundrechts auf Asyl im Artikel 16a des Grundgesetzes. Das Asylrecht ist Ausdruck für den Willen der Bundesrepublik, ihre historische und humanitäre Verpflichtung zur Aufnahme von Geflüchteten zu erfüllen.
Dass dieses Recht unter Druck geraten ist, während gleichzeitig rassistische Forderungen nach „Remigration“ auch im Marburger Hinterland kursieren, ist beileibe kein Zufall. Der Schutz des individuellen Rechts auf Asyl gegen Anfeindungen aller Art ist ein geeigneter gradmesser für demokratische Haltung bei Politikerinnen und Politikern ebenso wie bei der breiten Bevölkerung. Gerät das individuelle Asylrecht in Gefahr, dann droht auch der Demokratie Ungemach.
Sinn des Asylrechts ist letztlich der Schutz von Menschen und ihrem Leben. Sie abzuweisen, wie viele Politikerinnen und Politiker es gerade erst im Vorfeld der Landtagswahlen am Sonntag (1. September) in Thüringen und Sachsen gefordert haben, wäre nicht nur ein dreister Verfassungsbruch, sondern auch eine flagrante Verletzung internationalen Rechts und eine mörderische Missachtung der Menschenwürde. Wer solche Forderungen erhebt oder verbreitet, der sollte sich fragen lassen, ob das nicht eine geschichtsvergessene Form von Volksverhetzung darstellt.
Wenn wieder zu hören ist, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden, dann mag mancher nur noch beten, dass es nicht bald einen 3. Weltkrieg geben wird. Einige Anzeichen sprechen dafür, dass die Zeichen derzeit eher auf Unfrieden stehen als auf Friedfertigkeit. Das gilt für Russland und die Ukraine oder Israel und Palästina ebenso wie für den Sudan und das südchinesische Meer.
Sich allein auf pazifistische Beschwörungsfloskeln zurückzuziehen, reicht da aber leider nicht aus. Eine Verharmlosung der Kriebstreiber wäre wohl auch der absolut falsche Weg. Doch auch militärischer Beistand mit Jubelgeschrei kann Militärmächte wie Russland oder China kaum in die Knie zwingen.
Geschichte wiederholt sich nicht. Die Lehren aus der Geschichte zu ignorieren, wäre jedoch ein fataler Fehler. Die richtigen Schlussfolgerungen aus ihnen zu ziehen, ist jedoch ein schwieriger Balanceakt zwischen verschiedenen „kleineren Übeln“.
Im Vordergrund stehen muss dabei der Schutz der Menschen und ihrer Leben. Möglicherweise mag das in Einzelfällen dann auch den Einsatz von Waffengewalt erfordern. In jedem Fall schreit die Weltlage aber danach, das Asylrecht deutlich ernster zu nehmen als bisher, damit die Menschlichkeit nicht unter rechtspopulistische Räder gerät.

* Franz-Josef Hanke

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