Eine internationale Konferenz im Deutschen Sprachatlas richtet den Blick auf die „Stimmidentität“. Sie möchte „Deep-Fakes“ ein sprachliches Schnippchen schlagen.
Die Stimme als Persönlichkeitsmerkmal verliert im Zeitalter „Künstlicher Intelligenz“ (KI) und moderner digitaler Manipulationsmöglichkeiten immer mehr an Authentizität. Mit sogenannten „Deep-Fakes“ lassen sich die Stimmen bekannter Politikerinnen und Politiker oder Celebrities nach Belieben fälschen. Doch was macht genau eine „Stimmidentität“ aus?
Hier spielen Phonetik, Biologie, Physik und weitere Fachdisziplinen zusammen. Die Arbeitsgruppe Phonetik um Prof. Dr. Mathias Scharinger von der Philipps-Universität freut sich daher, die interdisziplinäre wie internationale Konferenz zur Stimmidentität „Voice ID“ mit knapp 100 Teilnehmenden von Mittwoch (28. August) bis Freitag (30. August) im Deutschen Sprachatlas ausrichten zu können.
„Die Konferenz unterstreicht das Alleinstellungsmerkmal der Philipps-Universität mit dem Deutschen Sprachatlas, wo Kompetenzen aus der Phonetik, Variationslinguistik, Forensik und Neurolinguistik fruchtbar zusammenkommen“, stellte Uni-Vizepräsident Prof. Dr. Gert Bange fest. Die Konferenz im Deutschen Sprachatlas widmet sich allen Aspekten der menschlichen Stimme, die dazu beitragen, die Identität der jeweils Sprechenden herzustellen und zu kommunizieren. Daher kommen bei dieser Konferenz namhafte Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen der Phonetik, Computerwissenschaft, Forensik, Neurowissenschaft und Psychologie zusammen. Sie gehen den Fragen nach, wie Identität durch akustische Merkmale bei der Stimmgebung hergestellt wird, wie die akustischen Merkmale interpretiert werden, welche Gehirnareale und hirnphysiologischen Prozesse diese Interpretation unterstützen und ob und wie der Mensch gefälschte Stimmen von echten unterscheiden kann.
In diesem Zusammenhang sind die Beiträge der Konferenz auch von forensischem Interesse, berichtete Gea de Jong-Lendle, die als forensische Phonetikerin in der AG Phonetik arbeitet: „Anhand der akustischen Merkmale einer Stimme versuchen wir, die Identität von Sprecher*innen zu bestimmen und können so dazu beitragen, Straftäter*innen zu überführen.“ Insbesondere im Fall eines Sprecherprofils (wenn eine Audio-Aufnahme existiert, es aber noch keinen Verdächtigen gibt) bietet die Universität Marburg eine unschätzbar wertvolle Datenbank im Deutschen Sprachatlas.
Mit Hilfe der historischen Wenker-Dialektkarten und zusätzlicher regionaler Sprachaufnahmen ist es möglich, die Herkunft eines Sprechers auf einen bestimmten geographischen Raum einzugrenzen. „Die forensische Phonetik hat in Marburg übrigens eine lange Tradition“, berichtete de Jong-Lendle. Schon seit RAF-Zeiten sind Marburger Phonetiker*innen an polizeilichen Ermittlungen und Strafverfahren beteiligt.
Die Konferenz gibt außerdem Impulse für die vieldiskutierte künstliche Intelligenz. So wird es auch darum gehen, wie gut Algorithmen der Künstlichen Intelligenz menschliche Stimmen imitieren oder Fälschungen (Deep-Fakes) identifizieren können. „Wir in der Marburger Phonetik sind sehr stolz darauf, an diesen gesellschaftlich wichtigen und relevanten Themen teilhaben und unsere Expertise gemeinsam mit den internationalen Kolleginnen und Kollegen einbringen zu können“, sagte Scharinger.
* pm: Philipps-Universität Marburg