Autos im Zentrum: Die Linke zu Ergebnis des Bürgerentscheids

„Demokratie ist keine Mehrheitsherrschaft“, erklärte Dennis Neumann von den Linken am Mittwoch (12. Juni). Deshalb solle die Stadt „MoVe 35“ weiterentwickeln.
Das Ergebnis des Bürgerentscheids von Sonntag (9. Juni) erkennt Die Linke Marburg-Biedenkopf vorbehaltlos an. „Das in den Außenstadtteilen die Halbierung des Autoverkehrs mehrheitlich abgelehnt wurde, offenbart das Grundproblem des Verkehrskonzepts MoVe 35″, erklärte die Linken-Kreisvorsitzende Anna Hofmann. „Während sich vornehmlich auf die Ausgestaltung des Verkehrs in der Kernstadt konzentriert wird, wird die Erreichbarkeit der Stadt von den ländlichen Stadtteilen und Gemeinden aus auf das sträflichste vernachlässigt. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass Landbewohner*innen im Zuge von MoVe 35 Angst haben, Marburg zum Beispiel für ihren Arbeitsplatz oder Arzt- und Behördenbesuche nicht mehr erreichen zu können. Landbewohner*innen sind keine Bürger*innen zweiter Klasse und verdienen eine gute Anbindung an die Stadt.“
Gleichzeitig zeige das Ergebnis in den Stadtteilen der Kernstadt, wo bis zu 80% für die Halbierung des Autoverkehrs gestimmt haben, dass die derzeitige Verkehrssituation in Marburgs Kernstadt als Problem wahrgenommen wird. „Die Menschen, die tagtäglich vom Autoverkehr mit Lärm und Luftverschmutzung betroffen sind, wollen eine Veränderung“, stellte Hofmann fest. „Wenn wir keine weitere Spaltung der Stadtgesellschaft wollen, muss der politische Wille von 19.258 Bürger*innen Marburgs auf Grundlage des Bürgerentscheids berücksichtigt werden.“
„Das Interesse schnell und komfortabel vom Land in die Stadt zu kommen ist genauso legitim wie das Interesse, eine lebenswerte Kernstadt mit weniger Lärm und Abgasen, mehr Platz für Rad- und Fußverkehr sowie zur freien Entfaltung zu haben“, erklärte der Linken-Kreisvorsitzende Dennis Neumann. „Auf Grundlage des Bürgerentscheids nun das legitime Interesse eines Großteils der Kernstadtbewohner*innen zu ignorieren, wie es CDU, BfM und FDP in populistischer Manier fordern, untergräbt das Fundament unseres demokratischen Gemeinwesens. Marburg braucht einen Interessensausgleich, der beiden Anliegen gerecht wird.“
Der Kern der Demokratie sei nicht die Herrschaft der Mehrheit mit einer absoluten Unterordnung der Minderheit unter den Mehrheitswillen, wie es zur Zeit im öffentlichen Diskurs mehrheitlich verhandelt wird. Stattdessen sei der Kern der Demokratie, gemeinwohlorientierte Lösungen für politische Probleme zu finden, bei denen unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen. „Als Parteien müssen wir dabei den Widerspruch aushalten, einerseits die Interessen unserer Wähler*innen zu vertreten, andererseits aber stets das Gemeinwohl im Blick zu behalten“, erläuterte Neumann.
Selbstverständlich sei es umstritten, was das Gemeinwohl genau ist und wie es erreicht wird. Ebenfalls müsse am Ende des Willensbildungsprozesses eine Entscheidung stehen, wie sie jetzt durch den Bürgerentscheid gefällt wurde. „Aber offensichtlich muss Die Linke im Nachgang des Bürgerentscheids die anderen Parteien in Marburg daran erinnern, nicht in Klientelpolitik zu versinken und die Interessen ihrer eigenen Wähler*innen zum Gemeinwohl zu erklären“, mahnte Neumann.
Die Linke versteht sich als Interessenvertretung der 99% der Menschen, die jeden Tag hart arbeiten gehen. Deshalb ist der Linkspartei das Gemeinwohl stets näher als die Interessen der Reichen und Mächtigen. Außerdem spielt Die Linke wegen ihrer Gemeinwohlorientierung nicht die Interessen einzelner gesellschaftlicher Gruppen gegeneinander aus, wie es gerade die anderen Parteien tun.
Insofern ist es aus Perspektive der Linken möglich, den beschriebenen Widerspruch zwischen den Interessen von Stadt- und Landbewohner*innen für beide Seiten zufriedenstellend aufzulösen. „Was wir brauchen, ist ein Grundrecht auf Mobilität“, forderte Neumann.
Marburg brauche einen massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, damit die Außenstadtteile und die Kreisgemeinden besser an die Kernstadt angebunden werden. Dazu brauche es nicht nur einen besseren Busverkehr, sondern auch eine Regio-Tram nach nordhessischem Vorbild, die Stadt und Land verbindet. Um eine echte Alternative zum Auto zu sein und Menschen mit wenig Geld Mobilität zu ermöglichen, müsse Bus und Bahn mittelfristig kostenfrei werden.
„Zudem braucht es einen Ausbau kostengünstiger Car-Sharing-Modelle für Fahrten, die nicht mit Bus und Bahn erledigt werden können“, forderte Neumann. „Auf dieser Grundlage kämpfen wir weiter für eine sozial-ökologische Verkehrswende, die alle Menschen mitnimmt.“

* pm: Die Linke Marburg

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