An neuen Wegen für die Solarenergie der Zukunft forscht ein Marburger Physiker. Seine Lösungsansätze hat Prof. Dr. Jan Christoph Goldschmidt kürzlich vorgestellt.
2022 erreichte die Photovoltaik (PV) einen wichtigen Meilenstein: Die weltweit installierte elektrische Leistung überstieg den magischen Wert von einem Terawatt (TW). „Das entspricht ungefähr 1.000 Atomkraftwerken“, erläuterte der Marburger Physiker Prof. Dr. Jan Christoph Goldschmidt.
Wieviel PV-Leistung in Zukunft für einen kosteneffizienten Klimaschutz und zur Deckung der Energiebedürfnisse der Menschheit notwendig ist, hat eine internationale Forschungsgruppe jetzt im Fachmagazin „Science-vom 7. April 2023 vorgerechnet. Bis zum Jahr 2050 könnten 75 TW installiert sein.
„Die PV leistet dann den größten Beitrag zur Energieversorgung und um den Klimawandel einzudämmen“, erläuterte der Co-Autor Goldschmidt. Eine Herausforderung, die sein Team und er identifiziert haben ist, langfristig die Energieausbeute zu erhöhen, und zum anderen den Ressourcen- wie auch den Energieverbrauch bei der Produktion von Solarzellen weiter zu reduzieren. Wie eine Solarzelle der Zukunft aussieht, daran forschen Goldschmidt und sein Team in der Marburger Physik.
Klassische Solarzellen funktionieren auf Siliziumbasis. Deren Energieausbeute – Fachleute sprechen von Wirkungsgrad – ist physikalisch bedingt auf rund 29 Prozent beschränkt. Für höhere Wirkungsgrade sind daher andere Materialien, Materialkombinationen sowie neue Zelldesigns oder -konstruktionen gefordert.
„Die Idee ist hier, zwei verschiedene Solarzellen übereinander zu stapeln“, erläuterte Goldschmidt. Bei diesen sogenannten Tandem-Solarzellen wandelt eine klassische Siliziumzelle das langwellige Licht in elektrische Energie um. Der kurzwelligere, sichtbare Anteil, der sonst nicht besonders effizient genutzt wird, wird dagegen in einer zweiten Materialschicht in Strom umgewandelt.
Besonders geeignet sind dafür sogenannte „Perowskite“. Dabei handelt es sich um eine Kristallstruktur, die erst seit rund zehn Jahren für PV-Anwendungen erforscht wird.
Beim Ressourceneinsatz wollen die Forschenden an gleich mehreren Stellschrauben drehen. Wurde bereits in den Jahren 2000 bis 2022 die Siliziummenge (Si) pro Megawatt (MW) Leistung von 14 Tonnen auf 2 bis 3 Tonnen reduziert, so dürfte sich das mit noch dünneren Siliziumscheiben weiter verringern. Da Silizium im Herstellungsprozess die größte Energiemenge verbraucht, wollen die Forschenden gar komplett auf Si verzichten.
„Ins Spiel kommen Tandem-Zellen aus zwei verschiedenen Perowskit-Schichten, die wir hier bald herstellen und charakterisieren wollen“, sagte Goldschmidt. Ferner sollen auch seltene und teure Materialien wie Silber für die elektrische Kontaktierung immer weiter verringert und durch Kupfer, Aluminium oder sogar aus Pflanzenreststoffen erzeugtem Kohlenstoff ersetzt werden. Das setzt detaillierte Forschung an Materialproben und -systemen voraus, die der Marburger Physiker, der vor rund einem Jahr vom Fraunhofer-Institut für Solare Energieerzeugung von Freiburg an den Fachbereich Physik der Philipps-Universität gewechselt ist, bald in neuen Labors anstoßen will.
Goldschmidt ist sich sicher, dass in den Tandem-Perowskit-Zellen enormes Potenzial steckt, um den Energiebedarf in Zukunft umweltschonend und das Klima schützend decken zu können. „Jedes Zehntel Grad Celsius weniger Klimaerwärmung zählt, um gravierende Klimafolgen zu vermeiden“, betonte Goldschmidt. Ein schneller Ausbau der PV auf Basis der aktuellen Si-Technologie jetzt und die langfristige Entwicklung einer noch effizienteren und Ressourcen-schonender Solartechnik spielt dabei nach Ansicht des Fachmanns die größte Rolle.
* pm: Philipps-Universität Marburg