Nicht furchtlos: Inzucht gefährdet Pflanzen im Klimawandel

Die Gesellschaft für Ökologie würdigt die Forschungsarbeit des Marburger Biologen Dr. Tobias Sandner. Inzucht gefährdet das Überleben von Pflanzenarten im Klimawandel.
Auf der 51. Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie (GfÖ) von Montag (21. November) bis Freitag (25. November) in Metz (Frankreich) wurde Dr. Tobias Sandner für seine Forschung im Bereich Pflanzenökologie ausgezeichnet. Der alle zwei Jahre verliehene GfÖ-Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und würdigt besondere Leistungen von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern in der Ökologie-Forschung.
Sandner forscht am Fachbereich Biologie der Philipps-Universität als Postdoktorand in der Arbeitsgruppe „Pflanzenökologie und Geobotanik“. Er untersucht experimentell, wie Pflanzen in kleinen Populationen mit ihrer Umwelt und anderen Arten interagieren. Ausgehend von dem Phänomen, dass viele Pflanzen, die früher häufig vorkamen, in den letzten Jahrzehnten deutlich seltener geworden sind, geht er der Frage nach, ab wann das zum Problem wird.
„Selbst wenn Arten noch immer auf vielen Wiesen vorkommen, haben sie sich möglicherweise schon genetisch verändert“, erklärte Sandner in seinem Vortrag anlässlich der Preisverleihung am Mittwoch (23. November) vor den Teilnehmenden der GfÖ-Jahrestagung, die aus ganz Europa an die gastgebende Université de Lorraine gekommen sind. „Inzucht ist eines der großen Probleme. Wo nur noch wenige Pflanzen einer Art zusammenstehen, müssen sie sich miteinander verpaaren, selbst wenn sie schon nah verwandt sind. Weil Inzucht gesundheitliche Probleme erzeugen kann, ist sie in menschlichen Kulturen tabuisiert, und auch Pflanzen haben Mechanismen entwickelt, Inzucht zu vermeiden. Aber wo sie keine andere Wahl haben, bilden sie lieber durch Inzucht Samen als gar nicht. Das ist gut für den Fortbestand der Population, kann aber bei Pflanzen zu Veränderungen mit negativen Folgen führen.“
Sandner beschäftigt sich in seiner Forschung mit dem Einfluss von Inzucht auf das Wachstum von Pflanzen. Durch Bestäubungsexperimente und Stressexperimente in Gewächshaus, Klimakammer und Versuchsgarten konnte er zeigen, dass Inzucht den Pflanzen schadet. Zum Beispiel können Pflanzen nach Inzucht oft schlechter auf Änderungen der Umweltbedingungen reagieren.
Zudem kann Inzucht die Blüten verändern, so dass Pflanzen weniger attraktiv für Bestäuber werden. Das ist ein Teufelskreis, der am Schluss zu noch mehr Inzucht und weniger Toleranz bei Klimaveränderungen führen kann.
„Inzucht ist also eine Gefahr für den langfristigen Erhalt von Pflanzenarten“, mahnte Sandner. „Sowohl in der Natur als auch in Botanischen Gärten sollte darauf geachtet werden, dass Populationen von Arten möglichst groß sind.“
Die GfÖ ist 1970 als unabhängige wissenschaftliche Organisation gegründet worden. Sie vereinigt Ökologinnen und Ökologen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie beschäftigen sich mit der Ökologie von Arten und Ökosystemen inklusive der Einbeziehung von molekularen und genetischen Zusammenhängen und Mechanismen.
Dabei spielen sowohl die Grundlagenforschung als auch die angewandte Forschung – zum Beispiel für Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft – eine tragende Rolle. Die Ziele der Gesellschaft sind: Förderung grundlagenorientierter und angewandter ökologischer Wissenschaften sowie der Zusammenarbeit zwischen den biologisch-ökologischen Disziplinen; Verbesserung der Kommunikation zwischen Forscherinnen und Forschern verschiedener Disziplinen an Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen; die praktische Anwendung und Implementierung ökologischen Wissens sowie die Vertretung ökologischer Interessen in der Öffentlichkeit.
Bei den jährlichen Tagungen stellen 500 bis über 1.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre aktuelle Forschung vor. Dieses Jahr wird die Tagung gemeinsam mit der französischen und der europäischen ökologischen Gesellschaft organisiert.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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