„Du hast der Stadt Bestes gesucht“, sagte Daniel Neumann. Er hielt die Laudatio auf den Leuchtfeuer-Preisträger Amnon Orbach.
An den vielen Gesichtern im Raum konnte man erkennen, wie viele Menschen Orbach in seinem Leben berührt hat. Über 40 Jahre lang hat er in Marburg gelebt und gewirkt. Durch seine Beharrlichkeit hat er viel erreicht.
In der Marburger Synagoge bekam er am Sonntag (22. Mai) das Marburger Leuchtfeuer für soziale Bürgerrechte überreicht. Die Preisverleihung habe nur in der Synagoge stattfinden können, sagte Franz-Josef Hanke von der Humanistischen Union (HU). „Dieses Haus atmet seinen Geist.“
Nach seinem Umzug von Jerusalem nach Marburg 1982 hat Orbach damit begonnen, die jüdische Gemeinde in Marburg wieder aufzubauen. Dazu gehört auch die Errichtung der neuen Synagoge an der Liebigstraße, die 2005 fertiggestellt wurde. „In Marburg gibt es durch ihn jüdisches Leben“, sagte Polina Solojev von der jüdischen Gemeinde Marburg.
Bei der Fertigstellung der neuen Tora-Rolle im Jahr 2010 lud Orbach Mitglieder der muslimischen Gemeinde ein, sich daran zu beteiligen. Das habe es in der Welt zuvor noch nie gegeben, bemerkte Jury-Sprecher Egon Vaupel bei der Preisbegründung.
Das Leuchtfeuer erhielt Orbach für sein Eintreten für interkulturellen und interreligiösem Dialog und Respekt, seinen Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus, und sein Einsatz für jüdisches Leben in Marburg. Die Anerkennung reiht sich ein in die vielen Auszeichnungen, die Orbach bereits erhalten hat. Darunter sind das Bundesverdienstkreuz und die Ehrenbürgerschaft der Stadt Marburg.
Bei der Feierstunde hatten sich viele Funktionäre der Stadt und der jüdischen Gemeinde Marburg versammelt. Einmütig habe sich die Jury für Orbach als Preisträger entschieden, berichtete Hanke.
„Für viele ist Orbach zum Gesicht der jüdischen Gemeinde in Marburg geworden“, sagte Bürgermeisterin Nadine Bernshausen in ihrer Begrüßungsrede. „Dass Orbach nach Marburg gekommen ist, „war und ist ein Glücksfall.“
Er setze sich ein für die großen, aber auch die kleinen Dinge, für die Synagoge, aber auch für einzelne Personen. Auch für die aus der Sowjetunion geflüchteten Juden habe er sich stark gemacht, berichtete Vaupel.
Seit Kurzen besteht der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Marburg ausschließlich aus russischen und ukrainischen Mitgliedern, die sich gemeinsam gegen den Krieg in der Ukraine engagieren. Nur durch Orbach sei das möglich geworden.
„Unsere Synagoge ist nicht nur ein Haus, wohin die Leute zum Beten kommen“, sagte die Gemeindevorsitzende Solovey. „Für die meisten von uns ist das viel mehr geworden. Das ist ein Zuhause geworden, das man in seinem Heimatland verlassen hat. Für all das können wir uns bei Amnon bedanken.“
Direktor Daniel Neumann vom Landesverband der jüdischen Gemeinden in Hessen blickte zurück uf zwei Jahrzehnte Zusammenarbeit mit Orbach. Sie sei nicht immer ganz einfach gewesen, erläuterte er. „Warum nein sagen, wenn man auch ja sagen kann“, waren die entwaffnenden Worte, die ihm Orbach entgegengebracht habe.
„Israel“ hieße übersetzt „der mit Gott ringt“;und das habe Orbach oft verkörpert. „Es dauerte nicht lange, bis ich meine Erfahrungen mit der Durchsetzungskraft und der Beharrlichkeit machte, die dich stets auszeichnete“, erzählte Neumann von seinen ersten Konfrontationen mit Orbach.
Der Weg zur Synagoge sei nicht immer einfach gewesen. „Aber das fertige Gebäude „strotzt von Orbachschen Ideen und Zugaben. Von dem Glashimmel über unseren Köpfen bis zur Erde des Jerusalemer Tempelbergs, die Du auf nicht ganz legale Weise hierhergebracht hast, um dieses Haus damit symbolisch zu heiligen.“
Unterstützung hatte Orbach dabei natürlich von vielen Seiten. Doch immer an seiner Seite ist vor allem seine Frau Hannelore. Durch sie sei er nach Marburg gelockt worden und durch sie wurden alle von Orbachs Taten erst möglich, bemerkte Hanke. „Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau“, ergänzte er.
Auch Bernshausen erinnert sich gerne daran, wie Orbachs Augen anfangen zu leuchten, wenn er von Israel erzählt und von seiner Frau Hannelore. „Es sind die Menschen die aus Liebe für Andere und für die Themen handeln, die die Herzen der Menschen berühren und so Veränderung bewirken.“
Orbach habe gezeigt, wie viel ein einzelner Mensch verändern kann. „Sein Name wird untrennbar mit der Geschichte Marburgs und seiner Jüdischen Gemeinde verbunden bleiben“, prophezeite Neumann.
Mit seinem Charme und seiner Hartnäckigkeit ging er oft mit dem Kopf durch die Wand. Der Antisemitismus und Rassismus, der in Deutschland heute noch existiert, verlangsamte ihn nie, sondern spornte ihn an. „Du hast diesem Land, dieser Stadt und den hier lebenden Menschen dein Vertrauen, deinen Einsatz und dein Herz geschenkt.“
Orbach habe nie aus Selbstnutz gehandelt. „Er „stand in der Tradition des Propheten Jeremia: Suchet der Stadt Bestes“, sagte Neumann.
„Dabei hast Du deine Herkunft nie verleugnet, hast deine Identität nie versteckt. Nein. Ganz im Gegenteil! Du warst und bist ein stolzer israelisch–jüdischer Marburger.“
Nach der Übergabe der Preisurkunde strömten viele Gemeindemitglieder zu Orbach, um ihn Blumen zu überreichen. In der bewegenden Feierstunde wurde überdeutlich, dass Orbach diese Auszeichnung wirklich verdient hat: er ist ein Leuchtfeuer für Marburg.
*Laura Schiller
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