Ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam verfolgte die Bildung von Nervenscheiden mittels Magnetresonanztomografie. Ihre Ergebnisse hat die Philipps-Universität am Dienstag (22. Februar) veröffentlicht.
Die Entwicklung von Nervenscheiden im Säuglingsalter verläuft ungleichmäßig. Das hat eine Forschungsgruppe aus der Neurowissenschaft herausgefunden, indem sie bei Kindern zwischen der Geburt und sechs Monaten die Ausdehnung der Nervenscheiden maß. Das Team um die Marburger Neurowissenschaftlerin Dr. Mareike Grotheer berichtet im Forschungsmagazin „Nature Communications“ über ihre Ergebnisse.
Viele Nervenfasern von Wirbeltieren besitzen eine Hülle – die sogenannte „Markscheide“ – aus Myelin, die eine besonders schnelle Erregungsleitung gewährleistet. Auch die Leitungsbahnen der Hirnzellen sind mit Myelin umhüllt, sie bilden die weiße Substanz des Gehirns.
„Myelin ist für die Funktion des Gehirns von wesentlicher Bedeutung“, legte Mareike Grotheer dar. Die Leitautorin der Studie ergänzte: „geht die Bildung der Myelinscheiden schief, so kann dies zu Entwicklungs- und kognitiven Störungen führen.“
Ein großer Teil der Myelinbildung erfolgt während der ersten sechs Monate nach der Geburt. Aber wie soll man die Entwicklung der Myelinhülle im Kindesalter untersuchen? Klassische Studien, die auf Hirnschnitten von Verstorbenen beruhen, lassen sich nicht ohne Weiteres auf das sich entwickelnde Gehirn von Säuglingen übertragen.
Grotheer und ihr Team nutzten das Verfahren der Magnetresonanztomografie (MRT), um die Ausdehnung der Myelinschicht entlang der Leitungsbahnen zu messen. „Weil Babys sich viel bewegen und dadurch die Aufnahmen stören, mussten wir mit unserer Arbeit warten, bis die Babys eingeschlafen waren“, berichtete die Studienleiterin.
Doch die Mühe hat sich gelohnt: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Myelinhülle nicht an allen Stellen des Gehirns gleich schnell bildet“, berichtete Grotheer. „Insbesondere hängt der Fortschritt der Myelinisierung im frühen Säuglingsalter davon ab, wieviel Myelin zu Anfang vorliegt.“
Wenn bei der Geburt wenig Myelin vorhanden ist, verläuft die Myelinisierung anschließend schneller, so dass der Rückstand aufgeholt wird. „Wir stellen die Hypothese auf, dass hierdurch im Säuglingsalter eine gewisse Menge von Myelin im gesamten Gehirn schnell verfügbar gemacht wird“, führte die Marburger Neurowissenschaftlerin aus. Das ermögliche eine koordinierte Kommunikation innerhalb des Gehirns.
„Unsere Methode stellt quantitative Daten zur Verfügung, die über Menschengruppen und Individuen hinweg verglichen werden können“, stellte Grotheer in Aussicht. „Messungen bei Säuglingen mit normaler Entwicklung, wie wir sie vorgenommen haben, bieten eine wichtige Grundlage, um die Gehirnentwicklung bei klinisch relevanten Fällen zu studieren.“
Die Neurowissenschaftlerin Grotheer leitet die Arbeitseinheit „Educational Neuroscience“ an der Philipps-Universität. Sie gehört dem mittelhessischen „Center for Mind Brain and Behavior“ an, das die Forschungsarbeit finanziell förderte. Neben Grotheer beteiligte sich Prof. Dr. Kalanit Grill-Spector mit ihrem Team von der Universität Stanford in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) an der Veröffentlichung.
* pm: Philipps-Universität Marburg