In der Gastronomie gilt bald „2G+“. Das daraufhin einsetzende Gejammer des Branchenverbands „DeHoGa“ ärgert mich.
Eine Vertreterin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DeHoGa) kritisierte die neue Regelung. Die – durch die Corona-Pandemie bereits stark belastete – Gastronomie werde dadurch noch weiter belastet. Ohnehin habe die Branche bereits 100.000 Arbeitskräfte verloren.
„Das Jammern ist der Gruß er Kaufleute“, sagt ein arabisches Sprichwort. Inzwischen scheinen die jammernden Kaufleute aus arabischen Ländern in vielen Gesellschaftsschichten und der deutschen Wirtschaft tonangebend zu sein. Egoismus tönt deutlich lauter als Gemeinsinn.
Dabei wären gerade Vorsicht und Rücksicht das Gebot der Stunde. Auch über den Landkreis Marburg-Biedenkopf donnert derzeit mit Macht eine riesige Omikron-Welle hinweg. Während sie für Erwachsene und >Ältere – vor allem, wenn sie geboostert sind – eher milder verläuft als die vorher vorherrschende Delta-Variante, könnte sie Kindern deutlich gefährlicher werden.
Zu Zeiten, wo Corona-Leugner auf der Straße gewalttätig gegen alle Regeln pandemischer Vernunft verstoßen und dabei Hass und Ängste in engem Gleichschritt mit Neonazis schüren, ist das Gejammer der DeHoGa-Funktionärein nicht nur egoistisch, sondern eine unverantwortliche Stärkung der sogenannten „Querdenker“. Wer geboostert ist, braucht beim Gaststättenbesuch nach der neuen Regelung lediglich seinen QR-Code und seinen Ausweis bereitzuhalten und kommt damit sofort rein. Wer nach der zweiten noch keine Drittimpfung erhalten hat, benötigt lediglich einen aktuellen Schnelltest.
Verständlich sind die Sorgen der Gastronomen durchaus, aber zugleich sind sie nicht am Wohl ihrer Gäste und des Personals orientiert. Ich zumindest möchte kein Lokal aufsuchen, wo der Profit ernster genommen wird als die Gesundheit der Gäste. Bei einem Gaststättenbesuch neulich in einem Marburger Restaurant habe ich mich ziemlich mulmig gefühlt, als die Bedienung ohne Mundschutz herumlief und keinerlei Anstalten machte, irgendwelche Impfdaten zu überprüfen.
Seit Monaten gehe ich ohnehin kaum in Veranstaltungen oder Restaurants. Konzerte und Theater finden für mich auch nicht statt. All das wäre für mich angesichts der derzeitigen Lage kein entspannter Genuss, obwohl ich bereits geboostert bin.
Das lautstarke Gejammer zahlreicher Gruppen über ihre wirtschaftliche Situation nervt mich zunehmend. In Zeiten wie diesen wünsche ich mir Ermutigung statt Gezänk darüber, wer denn von welcher Maßnahme gerade am schlimmsten betroffen sei. Mitunter tönen einige Aussagen dabei erschreckend ähnlich zu denen von Impfverweigerern und Verschwörungsideologen.
Die großzügige Finanzierung von Hilfsprogrammen für Kunstschaffende und Gewerbetreibende ist dennoch notwendig und richtig. Allerdings ist sie keine Selbstverständlichkeit. In vielen Ländern weltweit gibt es nicht mal genügend Impfstoff und medizinische Hilfe, geschweige denn wirtschaftliche Unterstützung.
Eine Pandemie ist eine außergewöhnliche Situation. In dieser Krise muss die Gesellschaft zusammenhalten. Solidarität heißt dabei auch, dass der Staat Betroffene finanziell unterstützt, wenn sie ihren Beitrag zum Gesundheitsschutz leisten.
Den Hoteliers und Gastronomen empfehle ich, endlich mal offensiv für Impfungen und das Boostern oder sogar eine allgemeine Impfpflicht zu werben. Danach könnten sie schließlich ihre Lokale bald wieder füllen und ihre Umsätze mit entspannten Gästen in gelassener Atmosphäre erzielen. Aber das selbstmitleidige Gejammer ist vielen von ihnen offenbar wichtiger als die Gesundheit der möglichen Kundschaft.
Die Abwanderung von Personal ist übrigens auch schlechten Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen geschuldet. Vielleicht wird der Gaststättenbesuch bald ja teurer. Solange er nicht Gesundheit oder gar Leben kostet, wäre das in einem gewissen Rahmen wohl zu verschmerzen.
* Franz-Josef Hanke