Das Thema „Triage“ ist ein Arbeitsschwerpunkt der Humanistischen Union (HU) für 2022. Dazu soll im Sommer eine bundesweite Tagung in Marburg stattfinden.
Mit dem Begriff „Triage“ bezeichnet die Kriegs- und Notfallmedizin die Priorisierung Behandlungsbedürftiger im Fall von begrenzten Behandlungsmöglichkeiten. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde eine solche Selektion auch in Deutschland nicht nur diskutiert, sondern sehr wahrscheinlich auch in der einen oder anderen Form bereits praktiziert. Dabei ist jede Entscheidung über eine Bevorzugung oder Ausgrenzung von Patientinnen und Patienten eine ethisch hochproblematische Entscheidung.
„Gerade auch angesichts der deutschen Geschichte möchten wir die Triage und alle damit verbundenen rechtlichen, politischen, sozialen, medizinischen und ethischen Fragen umfassend diskutieren“, erklärte der Marburger HU-Regionalvorsitzende Franz-Josef Hanke zu den Beweggründen der Bürgerrechtsorganisation für die Durchführung ihrer Tagung. Bei ihrer Mitgliederversammlung in Berlin hatte die HU diese Themensetzung mit großer Mehrheit beschlossen.
Bei der zweitägigen Veranstaltung wird der Hamburger Rechtsanwalt Prof. Dr. Oliver Tolmein seine Verfassungsbeschwerde zur Triage und die mittlerweile dazu getroffene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) erläutern. Das BVerfG hat festgestellt, dass der Gesetzgeber das Benachteiligungsverbot von Menschen mit Behinderungen verletzt hat, weil unterlassen wurde, Vorkehrungen zu treffen, damit niemand wegen einer Behinderung bei der Zuteilung überlebenswichtiger – nicht für alle zur Verfügung stehendenr – intensivmedizinischer Behandlungsressourcen benachteiligt wird. Der Gesetzgeber wurde durch das BVerfG verpflichtet, unverzüglich Vorkehrungen zum Schutz behinderter Menschen für den Fall einer pandemiebedingt auftretenden Triage zu treffen.
Die strafrechtliche Relevanz der Triage für Ärztinnen und Ärzte wird der Freiburger Wissenschaftler Prof. Dr. Jörg Arnold anhand der sehr unterschiedlichen und konträren Auffassungen der Strafrechtswissenschaft darstellen, wie auch seine eigene Position erläutern. Zu Wort kommen sollen zudem auch Medizinerinnen oder Mediziner sowie Menschen mit einer Behinderung, die bereits durch die Diskussion über Triage in ihrem Lebensrecht bedroht werden.
Für die HU als Bürgerrechtsorganisation stellt sich mit der Debatte über eine Priorisierung auch die Frage, inwieweit der demokratische Rechtsstaat verpflichtet ist, alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um Situationen zu vermeiden, die Ärztinnen und Ärzte vor Entscheidungen über Leben und Tod von Patientinnen und Patienten aufgrund mangelnder medizinischer Ressourcen stellen. Auch dafür scheint die Entscheidung des BVerfG wegweisend zu sein. Daher begrüßt die HU diese Entscheidun zugunsten des Lebensrechts von Menschen mit Behinderungen.
* pm: Humanistische Union Marburg