Wie erklärt: Hasenkopf mit Hecken und viel Grün

Wohnungsbau am Hasenkopf ist im Einklang mit der Vogelwelt möglich. Ein Gutachten empfiehlt jedoch viel Grün, Obstbäume und Hecken.
Der Hasenkopf hat weder für Großvögel noch für Rastvögel eine überregionale Bedeutung. Das zeigt ein Fachgutachten, das nun vorliegt. Auf lokaler Ebene hat der Hasenkopf eine mittlere Bedeutung für Brutvögel.
Für ortansässige Brutvögel dient er als Nahrungsquelle. Doch mit viel Grün und naturnaher Gestaltung kann das geplante Wohngebiet gebaut werden, ohne die angrenzenden wertvollen Biotope stark zu beeinträchtigen. ZZu diesem Fazit kommt das Gutachten.
Welche Auswirkungen hat eine Bebauung am Hasenkopf auf die Vogelwelt? Wie können eventuelle Auswirkungen ausgeglichen werden? Und welche Vögel brüten und rasten dort überhaupt?
Das Fachbüro Bioplan hat im Auftrag der Universitätsstadt Marburg ein Gutachten für das Gebiet am Hasenkopf gemacht und die Vogelwelt intensiv beobachtet. Im sogenannten „Fachgutachten Avifauna“ haben die beauftragten Biologen den Hasenkopf untersucht und die dort entdeckten Brut- und Rastvögel erfasst. Untersucht wurde das Plangebiet Hasenkopf und zusätzlich ein Puffer von 100 Metern rundherum. „Bei dem städtebaulichen Wettbewerb für den Hasenkopf waren Natur-,
Landschafts- und Klimafreundlichkeit wesentliche Kriterien“, erklärte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Es ist uns wichtig, schonend mit unseren Flächen umzugehen und dringend benötigten Wohnraum und den Klima-
und Naturschutz miteinander zu vereinbaren“, erläuterte er. „Die vorliegende Studie zeigt, dass wir dieses Ziel in Bezug auf die Vogelwelt am Hasenkopf erreichen, weil wir einen Siegerentwurf mit geringem Flächenverbrauch und viel Natur ausgewählt haben.“
Im gesamten untersuchten Gebiet wurden 80 Vogelarten festgestellt, davon 45 Brutvogelarten. Allein auf das Plangebiet Hasenkopf bezogen gibt es 66 Vogelarten – davon 17 brütende Arten. Im Pufferbereich, der nicht beplant wird, brüten 44 Arten.
Laut Büro Bioplan wurden die für diese Lebensräume typischen Brutvogelarten in durchschnittlicher Dichte festgestellt – auf lokaler Ebene hat das Gebiet daher eine mittlere Bedeutung für die Avifauna. Bei den Brütern entdeckt wurde jeweils ein Revier von Bluthänfling, Feldsperling, Goldammer und Wachtel sowie zwei Reviere der Feldlerche.
Das sind im Plangebiet die einzigen festgestellten Vogelarten, die in Hessen „planungsrelevant“ sind und beispielsweise geschützt sind oder einen ungünstigen Erhaltungszustand des Gesamtbestands in Hessen haben. Weitere Reviere der Feldlerche lagen außerhalb des Plangebiets.
Kartiert wurden auch „nicht planungsrelevante“ Arten wie Amsel, Blaumeise, Buchfink, Dorngrasmücke, Fitis, Heckenbraunelle, Kohlmeise, Mönchsgrasmücke, Rotkehlchen, Singdrossel, Zaunkönig und Zilpzalp. Nicht entdeckt wurden etwa der Wendehals oder Eulen und brütende Greifvögel – für diese Arten fehlen entsprechende Lebensräume.
Diese Lebensräume finden viele Vogelarten stattdessen im angrenzenden Heiligen Grund – der ist laut Gutachten ein wertvoller Lebensraum mit übergeordneter Bedeutung für die Vogelwelt in Marburg und der Region. Der seltene Gartenrotschwanz erreicht dort die höchsten bekannten Dichten in der Region. Auch der Wendehals hat dort einen Brutplatz gefunden.
Das Gutachterbüro kommt zu dem Schluss, dass der Hasenkopf für Großvögel keine besondere Bedeutung bei der Nahrungssuche hat. Die Fachleute haben nur einzelne Überflüge von Rotmilan, Mäusebussard, Sperber, Habicht und anderen Nahrungsgästen festgestellt. Brutvögel aus dem näheren Umfeld finden hier allerdings Nahrung.
Keine überregionale Bedeutung hat der Hasenkopf auch für Rastvögel. Das könnte laut Bioplan unter anderem daran liegen, dass das Gebiet als Naherholungsgebiet genutzt wird.
Dazu könnte es Beeinträchtigungen durch die angrenzende Kreisstraße geben. Viel häufiger als am Hasenkopf rasten Vögel laut den Gutachtern etwa im deutlich größeren Amöneburger Becken.
Die sogenannten „Offenlandarten“ wie Wachtel und Feldlerche könnten durch eine Aufwertung des Umlands neue Brutplätze finden. Außerdem empfiehlt Bioplan, die Obstbäume entlang der Kreisstraße K68 zu erhalten und weitere Obstbäume anzupflanzen. Das sollte auch im künftigen Wohngebiet geschehen.
Das erhalte die Lebensraumstrukturen und vernetze den Heiligen Grund weiterhin mit den Heckenstrukturen westlich des geplanten Wohngebiets. „Die Gestaltung des Wohngebiets ist ausschlaggebend dafür, wie sich das Gebiet in seiner Eignung für die Avifauna entwickelt“, heißt es im Gutachten. Bei einer ökologisch wertvollen Gestaltung, in der bestehende Hecken und Bäume erhalten bleiben und erweitert werden und in der etwa Grünstreifen eingeplant sind, könne eine Beeinträchtigung der Vernetzung der wichtigen Vogel-Lebensräume um den Hasenkopf herum vermieden werden.
„Die Empfehlungen der Gutachter zeigen einmal mehr, dass wir uns beim Architektenwettbewerb für das Wohngebiet am Hasenkopf für den richtigen Entwurf entschieden haben“, erklärte Spies. Denn: Das Gutachten nimmt die komplette Planfläche in den Blick. Mit dem Siegerentwurf wird aber nur rund die Hälfte des geplanten Gebiets bebaut. Eingeplant sind außerdem viele Grünflächen und Gemeinschaftsgärten. „Es ist der Entwurf mit dem geringsten Flächenverbrauch, mit viel Grün, der den Altbaumbestand erhält und die Pflanzung neuer Bäume vorsieht“, sagte Spies.
Die Fachleute haben an 31 Terminen von Oktober 2019 bis September 2020 den Hasenkopf kartiert und die Vogelwelt genau beobachtet. Sie haben dabei Brut-
und Rastvögel genau erfasst und kartiert und auch während der Begehungstermine vorbeiziehende Zugvögel aufgenommen.
Systematische Zugvogelzählungen wurden nicht durgeführt, da überfliegende Vögel von dem künftigen Baugebiet nicht unmittelbar beeinflusst werden. Dagegen sind Rastvögel die Zugvögel, die auf den Feldern am Hasenkopf auch landen, um zu ruhen oder Nahrung zu suchen.
Das Büro Bioplan hat flächendeckend für den Hasenkopf alle Brutvogelarten genau kartiert, die jeweils auf der Roten Liste für Hessen und für Deutschland geführt werden oder in Hessen keinen günstigen Erhaltungszustand haben – nach Ampelfarben sortiert werden diese Vogelarten mit Gelb oder Rot gekennzeichnet. Alle weiteren Brutvögel (Ampelfarbe Grün) wurden in einer Artenliste verzeichnet.
Die Rastvögel hat das Büro an 22 Terminen bei einem langsamen Ablaufen der Feldwege mit Fernglas und Spektiv erfasst. Nahrungsgäste und vor allem Greifvögel wurden an fünf Terminen kartiert.
Das Gutachten wird auch für die im kommenden Jahr anstehende Bauleitplanung für das Wohngebiet am Hasenkopf benötigt. Es wird verwendet als artenschutzrechtlicher Fachbeitrag zur Vogelwelt im Umweltbericht. Die Empfehlungen der Gutachter werden in die Bauleitplanung einfließen.
Das „Fachgutachten Avifauna“, die Präsentation des Siegerentwurfs, alle eingereichten Bewerbungen, Dokumentationen zu Beteiligungsprozess sowie viele weitere Informationen gibt es unter www.marburg.de/wohnenimwesten.

* pm: Stadt Marburg

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