Die Busfahrer streiken. Zumindest bis Montag (16. Januar) soll der Ausstand weitergehen.
Noch ist keine Einigung zwischen den Tarifparteien in Sicht. Bereits seit Montag (9. Januar) stehen die Stadtbusse in Marburg still.
Auch in andern Städten Hessens ist das Fahrpersonal privatrechtlich organisierter Busbetriebe in den Ausstand getreten. Aus Solidarität streiken beispielsweise in Darmstadt auch die Straßenbahnfahrer.
Bedauerlicherweise ist dieser Streik nötig geworden. Die bisherige Entlohnung mit 12 Euro pro Stunde ist eine peinliche Unverschämtheit der Arbeitgeber. Auch die geforderten 13,50 Euro wären längst noch keine angemessene Entlohnung der verantwortungsvollen Tätigkeit am Lenkrad der Linienbusse.
Besonders ärgerlich an diesem Streik ist die Ursache der annähernd frühkapitalistisch anmutenden Verhältnisse in der Busbranche: Vor vielen Jahren bereits haben neoligerale ideologen eine europaweite Privatisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) durchgesetzt. Seither müssen Städte und Kreise ihre Verkehrslinien öffentlich ausschreiben und mit ihren Eigenbetrieben in Konkurrenz zu anderen Anbietern treten.
Das den Kommunen dadurch aufgezwungene Windhunderennen zwingt die öffentlichen Verkehrsbetriebe zu Dumpinglöhnen und entsprechenden Arbeitsbedingungen für das Fahrpersonal. Wie fast überall in Deutschland gründeten auch die Stadtwerke Marburg (SWM) privatrechtlich betriebene Tochtergesellschaften unter Beteiligung privater Anteilseigner. Zunächst hieß das Tochterunternehmen „Mabus“, später dann „Marburger
Verkehrsgesellschaft“ (MVG).
Diese Firmen nun müssen die Dumpinglöhne geggenüber ihrem Personal durchsetzen, um „am Markt“ bestehen zu können. Das Ganze nennen die neoliberalen Ideologen pikanterweise dann auch noch „Soziale Marktwirtschaft“.
Umso erfreulicher ist, wenn die streikenden Busfahrer in Marburg auf breite Solidarität bei den Fahrgästen stoßen. Der Ärger über den Ausfall der Busse sollte schließlich diejenigen treffen, die dafür ursächlich verantwortlich sind. Die Verbrecher gegen die Menschlichkeit auf Europas Straßen sitzen in der Kommission der Europäischen Union (EU).
Leider haben sie zwischenzeitlich auch das Fernverkehrsmonopol der Bahn im Personenverkehr aufgehoben. Seit drei Jahren steigen preisbewusste Bahnreisende in ganz Europa nun auf billige Fernbusse um. Die Arbeitsbedingungen der Busfahrer dort sind jedoch noch prekärer als die der Stadtlinienbusse.
Schön wäre deshalb, wenn der Streik der Busfahrer bald auch auf den beinahe bereits monopolistisch auftretenden „Marktführer“ bei Fernbussen übergriffe. Noch schöner wäre, wenn Fahrgäste von Flixbus sich dann genauso solidarisch verhielten wie die Studierenden auf den Lahnbergen, die Schilder malen, dass sie Kommilitonen im Auto zum Universitätscampus mitnehmen. Gut wäre auch, wenn der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (AStA) sich dann mit streikenden Fernbusfahrern genauso solidarisieren würde wie jetzt mit den Stadtbusfahrern.
* Franz-Josef Hanke