risiko Mensch: Gössner und Erkmann verrissen Verfassungsschutzgesetz

„Das größte Risiko ist für sie der Mensch.“ So beschrieb Dr. Rolf Gössner am Dienstag (17. April) die Tendenz der sogenannten „Sicherheitsbehörden“ zur weiteren Verschärfung des „Präventivstaats“.
Mit seiner Äußerung reagierte der Rechtsanwalt aus Bremen auf das neue „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“ (PsychKHG) des Freistaats Bayern. Menschen mit Depressionen sollen danach als „Gefährder“ behandelt und ihre Daten für fünf Jahre bei Polizei und Sozialbehörden gespeichert werden. Diese Gesetzesnovelle reiht sich ein in eine ganze Phalanx von Überwachungsmaßnahmen in mehreren Bundesländern.
Unter dem Titel „Verfassungsbruch in Gesetzesform?“ trug Gössner im Historischen Saal des Rathauses gemeinsam mit Jürgen Erkmann aus Frankfurt Bedenken gegen die Novelle zum Hessischen Verfassungsschutzgesetz vor. 24 Organisationen haben ihre Kritik an diesem Gesetzentwurf in einer Gemeinsamen Erklärung zusammengefasst. Stellvertretend für sie alle hatten die Piratenpartei und die Humanistische Union (HU) die Informationsveranstaltung in Marburg organisiert.
Gössner wurde selbst 38 Jahre lang rechtswidrig vom Verfassungsschutz überwacht. Als ausgewiesener Experte für die Methoden des Inlandsgeheimdiensts rügte er die mangelnde demokratische Kontrolle der Behörde. Eigentlich hätten die Kompetenzen des sogenannten „Verfassungsschutzes“ nach dem Skandal um die Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) und der Verstrickung des Geheimdiensts beschnitten werden müssen, doch stattdessen würden sie sogar ausgeweitet.
V-Leuten und Verdeckten Ermittlern will die schwarz-grüne Landesregierung per Gesetz Straffreiheit selbst bei Verbrechen verschaffen. Diese Regelung vertrage sich nicht mit den elementaren Grundprinzipien des Rechtsstaats, sagte Gössner.
Die Wiedereinführung der menschenrechtswidrigen Berufsverbote werde nach dem Gesetzesvorhaben um einen neuen Punkt ergänzt: Vereine und Institutionen, die vom Land Hessen Geld für Demokratieprojekte bekommen, sollen ihre Mitarbeiter einer Überprüfung durch den Geheimdienst aussetzen. Damit richte die Landesregierung einen Generalverdacht gegen Menschen, die die Gesellschaft über Faschismus und Islamismus aufklären sollen.
„Das wird sehr viel an demokratischer Infrastruktur zerstören“, prophezeite Erkmann. „Kaum einer der Träger wird das mitmachen.“
Der Datenschützer problematisierte außerdem die geplante „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“ sowie die „Online-Durchsuchung“ informationstechnischer Systeme mit Hilfe des sogenannten „Hessentrojaners“. Trojaner greifen auf technische Lücken in Informationssystemen zu, um darüber in die Rechner einzudringen. Folge des Trojanereinsatzes ist das Interesse der Behörden, diese Lücken offenzuhalten und ihre Schließung durch die Software-Hersteller möglichst lange zu vermeiden.
Ausgemacht würden solche Lücken meist von Kriminellen, berichtete Erkmann. Ihnen bezahle der Staat für solche Informationen hohe Summen, mit denen er zugleich die Gefahren für die jeweiligen Datensysteme vergrößere. So sei der Trojaner „Wannacry“ der US-amerikanischen National-Security-Agency (NSA) gestohlen und dann unter Anderem auch gegen Software in Krankenhäusern eingesetzt worden.
Zugleich könne jeder mit Hilfe eines Trojaners den infiltrierten Rechner beliebig verändern und seine Spuren danach verwischen. Trojaner öffneten also auch Tür und Tor zur Manipulation von Computern. Deshalb verstößt ihr Einsatzsowohl gegen das Grundrecht auf „Informationelle Selbstbestimmung“ als auch gegen das auf „Integrität und Sicherheit datentechnischer Systeme“.
Alle Anwesenden waren sich einig, dass die geplante Gesetzesnovelle einen massiven Verstoß gegen gleich mehrere Grundrechte darstellt. Weder sei sie verhältnismäßig, noch notwendig oder angemessen und somit verfassungswidrig, erklärte Gössner.
Die Veranstalter kündigten an, dass sie weiter gegen dieses Gesetzesvorhaben mobilisieren werden. Im Landtagswahlkampf müsse die Meinungsfreiheit und der Datenschutz zum Thema gemacht werden. Insbesondere die Grünen müsse man dabei an den Beschluss ihrer Mitgliederversammlung gegen das Hessische Verfassungsschutzgesetz erinnern, forderte Erkmann.

* Franz-Josef Hanke

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