Mit Prof. Dr. Isabelle Bekeredjian-Ding ist die Philipps-Universität maßgeblich an der Leitung des neuen Projekts „European Vaccines Hub“ (EVH) beteiligt. Sie kündigte am Freitag (23. Mai) den Start dieser neuen europäischen öffentlich-privaten Partnerschaft an.
Spitzenforscherinnen und -forscher des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung sind maßgeblich an diesen großem europäischem Impfstoff-Projekt beteiligt. Die europäische Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen HERA (Health Emergency Response Authority) der Europäischen Kommission unterstützt über die Europäische Exekutivagentur für Gesundheit und Digitales (European Health and Digital Executive Agency, HaDEA) die Einrichtung des „European Vaccines Hub for Pandemic Readiness (EVH)“ – ein paneuropäisches Zentrum, das die Entwicklung von Impfstoffen für die öffentliche Gesundheit vorantreiben soll. Durch die Integration von Spitzenleistungen in der Impfstoffforschung, der Entwicklung von humanen monoklonalen Antikörpern (H-mAbs), klinischen Studien und skalierbaren Produktionsaktivitäten schafft EVH ein dynamisches und kooperatives europäisches Umfeld.
Das EVH-Konsortium besteht aus 11 Begünstigten und 13 angeschlossenen und assoziierten Einrichtungen aus sieben verschiedenen Ländern. Darunter sind führende europäische Organisationen, die direkt an der Entwicklung von Impfstoffen beteiligt und in ihren Ländern für die Pandemievorsorge zuständig sind. Das EVH-Projekt wird von der „Sclavo Vaccines Association“ koordiniert. Diese gemeinnützige Organisation mit Sitz in Siena widmet sich der Förderung der Impfstoffforschung und -entwicklung.
Das EVH-Projekt trägt zur Entwicklung eines vereinbarten Satzes von Pandemie-Impfstoff-Prototypen und skalierbaren Technologien durch ein Konsortium der wichtigsten EU-Impfstoff-F&E-Einrichtungen und -Hersteller bei und gewährleistet eine effektive Koordination der nationalen Impfstoff-Forschungsprogramme. Das EVH-Projekt steht im Einklang mit dem derzeitigen internationalen Konsens über die Entwicklung von Pandemie-Impfstoffen und nutzt die Erkenntnisse aus bestehenden Prototypen, um eine schnelle Auswahl und den Einsatz der am besten geeigneten Impfstoffkandidaten im Falle einer Pandemie zu ermöglichen. Der EVH gliedert sich in vier Säulen, die die wichtigsten Aktivitäten und Infrastrukturen der Impfstoffentwicklung unterstützen, und bringt führende europäische Institutionen mit ausgeprägtem Fachwissen zusammen, die in ihren jeweiligen Ländern für die Pandemievorsorge zuständig sind.
Säule 1 „Entdeckung“ wird von der Fondazione Biotecnopolo di Siena in Italien geleitet, Säule 2 „Präklinische Studien“ vom Institut Pasteur in Frankreich, Säule 3 „Klinische Studien“ von Vaccinopolis im belgischen Antwerpen und Säule 4 „Herstellung“ vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in Deutschland. Das Ziel des EVH ist daher nicht nur, ein reaktionsfähiges Forschungs- & Entwicklungs-System und eine Wissensdrehscheibe zu schaffen, die leistungsstarke, führende Forschungseinrichtungen miteinander verbindet, sondern auch Impfstoffentwicklungsprojekte zu initiieren und die damit verbundenen Prozesse und Verfahren zu verfeinern. Der Schwerpunkt wird auf einer ausgewählten Gruppe von Krankheitserregern liegen, die im kürzlich veröffentlichten WHO-Bericht über die Priorisierung von Krankheitserregern –
„WHO Pathogens Prioritization report“ – für die Europäische Region als kritisch für die Pandemievorsorge eingestuft wurden.
Von der Entwicklung von Prototypen bis hin zur klinischen Anwendung treibt der EVH Innovationen voran. Er verbessert die Kapazitäten für die klinische Bewertung und koordiniert die Bemühungen mit den Herstellern, während er gleichzeitig die Digitalisierung der Prozesse für die Entwicklung und Verteilung von Impfstoffen optimiert.
„Der EVH ist eine transformative Initiative, die die Fähigkeit Europas stärken soll, auf künftige Gesundheitsnotfälle zu reagieren“, sagte der wissenschaftliche Direktor Rino Rappuoli von der Fondazione Biotecnopolo di Siena. „Indem wir führende Impfstoffentwickler, Biotech-Unternehmen und Universitäten aus ganz Europa zusammenbringen, werden wir Innovationen vorantreiben und strategische Autonomie in der Impfstoffforschung und -herstellung sicherstellen.“
Auf nationaler Ebene wird Prof. Dr. Isabelle Bekeredjian-Ding vom Fachbereich Medizin der Philipps-Universität ist als DZIF-Koordinatorin maßgeblich an der Leitung und Koordination des EU-weiten EVH-Projekts beteiligt sein. „Das EVH-Projekt leistet einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Krisenvorsorge und des Krisenmanagements für zukünftige gesundheitliche Notlagen mit Schwerpunkt auf prioritären Erregern mit pandemischem Potenzial“, erklärte die Marburgerin. „Wir sind davon überzeugt, dass der European Vaccines Hub eine tragende Rolle dabei spielen wird, auf künftige Pandemien besser vorbereitet zu sein“, betonte Bekeredjian-Ding. „Durch die Zusammenarbeit europäischer Spitzenforschung mit einem breiten Netzwerk aus europäischen und globalen Forschungseinrichtungen, NGOs, Behörden und Unternehmen erhoffen wir uns wichtige Vorstöße, die die Entwicklung und Produktion von Pandemieimpfstoffen nachhaltig verbessern können.“
Universitäts-Präsident Prof. Dr. Thomas Nauss erklärte: „Der EVH zeigt, dass die Universität Marburg mit ihrer Forschung zu neu auftretenden Krankheiten zur Spitze in Europa gehört. Ich freue mich sehr, dass diese Expertise in ein europaweites Projekt einfließen kann. Das bestätigt den zukunftsweisenden Weg, den wir mit dem Marburg Center for Epidemic Preparedness eingeschlagen haben und der durch den Aufbau unseres Postinfektionszentrums komplementiert wird.“
Am Donnerstag (22. Mai) und Freitag (23. Mai) fand im Rektorat der Universität Siena in Italien, ein offizielles Kick-off-Meeting mit über 160 Teilnehmenden statt. Darunter waren Vertreter aller am EVH-Projekt beteiligten Institutionen sowie der Europäischen Kommission und wichtiger europäischer und nationaler Behörden wie die europäische Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA), die Europäische Exekutivagentur für Gesundheit und Digitales (HaDEA), die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), Vertreter des italienischen Gesundheitsministeriums und des italienischen Ministeriums für Universitäten und Forschung. Die Veranstaltung bot Gelegenheit zu einem hochrangigen Dialog zwischen führenden Institutionen und schuf die Voraussetzungen für eine koordinierte Reaktion auf künftige Pandemiebedrohungen.
Das EVH-Projekt wird in den nächsten vier Jahren durch das „EU4Health“-Programm der Europäischen Union mit einem EU-Beitrag von rund 102 Millionen Euro bei geschätzten Gesamtprojektkosten von etwa 170 Millionen Euro kofinanziert. Etwa ein Fünftel des EU-Beitrags wird an deutsche Einrichtungen unter dem Dach des DZIF gehen. Damit die Europäische Union im Falle einer Pandemie eigenständig Impfstoffe entwickeln und produzieren kann, will der EVH eine Öffentlich Private Partnerschaft (Public Private Partnership) aufbauen, in der akademische Spitzenforscherinnen und -forscher gemeinsam mit Pharma- und Biotech-Unternehmen zusammenarbeiten, um schnell und effektiv auf künftige Krisen reagieren zu können.
„Der EVH zeigt, dass das DZIF mit seinen translationalen Forschungsbereichen und Infrastrukturen zur Spitze in der Infektionsmedizin in Europa gehört“, erklärte der DZIF-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Dirk Busch. „Ich freue mich sehr, dass diese im DZIF auf nationaler Ebene gebündelte Expertise in ein europaweites Projekt einfließen kann.“
der ank seiner exzellenten wissenschaftlichen Expertise und einer leistungsfähigen Forschungsinfrastruktur im Bereich der translationalen Impfstoffforschung konnte das DZIF erfolgreich europäische Fördermittel für den Aufbau des European Vaccines Hub einwerben. Mit einem starken Verbund aus herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie spezialisierten Einrichtungen schafft das DZIF die Voraussetzungen, um einen maßgeblichen Beitrag in diesem EU-weiten Projekt zu leisten. Das DZIF bringt in das Vorhaben umfangreiche Kompetenzen – unter anderem aus den Bereichen Impfstoff- und Antikörperplattformen, präklinische Entwicklung, Immunmonitoring, Arbeiten unter Hochsicherheitsbedingungen (BSL-4), Durchführung von klinischen Studien, sowie in den Bereichen Datenmanagement und regulatorische Unterstützung – ein.
Der „European Vaccines Hub“ wird als zentrale Plattform die europäische Impfstoffentwicklung langfristig stärken. Durch die enge Zusammenarbeit von akademischer Forschung, klinischer Expertise und regulatorischem Know-how sollen tragfähige Strukturen geschaffen werden, um Innovationen effizient in die Anwendung zu überführen. Das DZIF und seine Partner leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung in Europa und zur weltweiten Pandemievorsorge.
Das Projekt hat sich über einen Zeitraum von vier Jahren eine Finanzierung von 102 Millionen Euro gesichert. Rund 21 Millionen Euro gehen an deutsche Einrichtungen unter dem Dach des DZIF. Die Förderung erfolgt im Rahmen des EU4Health-Programms, das als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie ins Leben gerufen wurde und die Krisenvorsorge der EU stärken soll. Der EVH soll zukünftig eng mit der während der Pandemie gegründeten europäischen Pandemiebereitschaftsbehörde HERA (Health Emergency Preparedness and Response Authority) zusammenarbeiten und Prioritäten festlegen. Der EVH basiert auf den folgenden vier Säulen:
Das DZIF übernimmt im European Vaccines Hub die Leitung einer der vier zentralen Säulen – „Herstellung und Regulierung“ – und ist an fast allen Arbeitspaketen direkt beteiligt. In mehreren Arbeitspaketen übernimmt das DZIF die federführende Verantwortung, in anderen bringt es seine umfassende Expertise als aktiver Partner ein und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der Projektziele. Koordiniert wird der European Vaccines Hub von der Non-Profit-Organisation „Sclavo Vaccines Association“ in Siena. Darüber hinaus bringen die Teams der DZIF-Product Development Unit (PDU) – das Translational Project Management Office (TPMO) und das Office for Scientific and Regulatory Advice (OSRA) – ihre Expertise aus verschiedenen Bereichen der Impfstoffentwicklung in das Projekt ein.
* pm: Philipps-Universität Marburg