Das Projekt „Straßenkinder in Addis Abeba“ feiert 50 Jahre Hilfe aus Marburg für Äthiopien. Dieses Jubiläum begeht es am Sonntag (27. Oktober) in der Elisabethkirche.
Als vor 50 Jahren eine schwere Hungersnot in Äthiopien herrschte, gründete sich in Marburg eine private Initiative, um die Not der Menschen in der Hauptstadt Addis Abeba zu lindern. Daraus ist ein Projekt geworden, das im Lauf der Jahre tausenden Kindern eine Perspektive gegeben hat. Es heißt „Straßenkinder in Addis Abeba“. Sein Jubiläum wird nun gefeiert – mit einer Delegation aus Äthiopien und zwei Gottesdiensten am Sonntag (27. Oktober) in der Elisabethkirche und am Sonntag (3. November) in der Stiftskirche Wetter.
Serawit Legese hat zwei Töchter. Sie sind sechs und vierzehn Jahre alt. Vom Vater der Kinder kommt keine Unterstützung, das Waschen von Kleidung für andere Menschen brachte ihr kaum das Nötigste zum Leben ein. Die ältere Tochter Mulunesh musste die Mutter in der fünften Klasse aus der Schule nehmen, damit auch sie Geld für die Familie verdient, die kleine Nardos konnte erst gar keine Schule besuchen.
Das ist eine Geschichte von vielen in Äthiopien. Aber es ist eine, die eine positive Wendung nahm. Das Projekt „Straßenkinder in Adis Abeba“ sorgte dafür, dass Nardos überhaupt einen Platz in einer Schule bekam und dass Serawit Legese inzwischen eine Arbeit hat, mit der sie genug verdient, um den Kindern drei Mahlzeiten am Tag zu ermöglichen. Außerdem bekommt die Familie Unterstützung zum Beispiel für zusätzliche Lebensmittel, Kleidung oder die medizinische Versorgung.
Damit ist der Grundstein gelegt, dass Nardos eine Schulbildung erhält – und eine Perspektive für die Zukunft. „In den vergangenen fünfzig Jahren haben tausende junger Menschen so eine Chance bekommen, trotz unbeschreiblicher Armut etwas aus sich zu machen“, berichtete Pfarrerin Bettina Mohr von der Trinitatisgemeinde in Wehrda. Sie ist die Beauftragte des Projekts. „Wir freuen uns sehr, dass aus der Idee, im Kleinen zu helfen, ein großes Projekt geworden ist, das so viele Leben gerettet und verändert hat.“
Mehrere Gemeinden aus den heutigen Kirchenkreisen Marburg und Kirchhain beteiligten sich 1974 an der Idee mit Spenden und ermöglichten so den Aufbau des „Family Reunification Program“, das Straßenkinder zurück zu ihren Familien brachte. Heute unterstützt das Projekt, das daraus geworden ist, 300 Kinder in der äthiopischen Hauptstadt und der näheren Umgebung. Sie sind verteilt auf drei Kinderzentren in Addis Abeba und in den Orten Bishoftu und Sululta. Sozialarbeiter und Lehrer sorgen für Unterricht, Betreuung und Freizeitprogramme.
Bei der Auswahl der Kinder spielt die Konfession keine Rolle. Ausschlaggebend ist lediglich die Bedürftigkeit. Da Mädchen immer noch besonders benachteiligt sind, wird Wert darauf gelegt, dass sie mindestens 60 Prozent der Kinder ausmachen.
„Helfen kann man bereits mit wenigen Euro pro Monat“, betonte Mohr. Seit 2020 unterstützt das Hilfsprojekt auch ausgewählte Eltern mit einem Existenzgründerseminar und einem Startkapital für Werkzeuge oder Ausrüstung. Das kostet jeweils rund 200 Euro.
Vor allem für Frauen sei das eine große Chance, ökonomisch unabhängig zu werden. Das Projekt finanziert sich komplett über Spenden. Partnerin des Projekts vor Ort ist seit Jahrzehnten die Äthiopische Evangelische Kirche „Mekane Yesus (Ethiopian Evangelical Church Mekane Yesus (EECMY), Träger ist der aus den beiden evangelischen Kirchenkreisen Kirchhain und Marburg gebildete Zweckverband „Projekt Straßenkinder in Addis Abeba“. Zum Jubiläum wird eine Delegation aus Äthiopien nach Marburg kommen und Interessierten aus erster Hand berichten, was die Spenden vor Ort bewirken.
Gefeiert wird am Sonntag (27. Oktober) mit einem festlichen Gottesdienst um 10 Uhr in der Elisabethkirche mit Prälat Burkhard zur Nieden. Eine Woche später findet am Sonntag (3. November) ein Gottesdienst in der Stiftskirche Wetter statt. Zudem wird es ab Donnerstag (31. Oktober) eine Fotoausstellung in der Lutherischen Pfarrkirche geben, die die Arbeit des Projekts vor Ort dokumentiert. Zur Eröffnung um 19 Uhr sind alle Interessierten herzlich eingeladen. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des Projekts unter www.strassenkinder-in-addis-abeba.de.
* pm: Evangelischer Kirchenkreis Marburg