Städtische Sparzwänge: Gewerbesteuer ist dramatisch gesunken

Ihren Haushalt 2024 muss die Stadt Marburg nachträglich ändern. Die Gewerbesteuer sinkt um 41 Prozent.
Die Universitätsstadt Marburg kann 2024 nur noch mit 96 Millionen Euro Erträgen aus Gewerbesteuer rechnen. Das sind 62 Millionen Euro weniger als geplant. Deshalb muss der Haushaltsplan für das laufende Jahr nachträglich geändert und neu beschlossen werden.
Im Dezember 2023 hatte die Stadtverordnetenversammlung (StVV) den Haushaltsplan für 2024 beschlossen. Das geschah auf Grundlage der damaligen Steuererwartung. Im Mai und Juni 2024 wurde allerdings bekannt, dass die Stadt mit deutlich weniger Zufluss aus der Gewerbesteuer zu rechnen hat: Der Ertrag sinkt um rund 41 Prozent.
„Auch für 2025 erwarten wir nach Ansage von Unternehmen deutlich weniger Gewerbesteuererträge als zuvor geplant“, berichtete Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies der StVV. „Diese Entwicklung macht einen Nachtragshaushalt unumgänglich; und sie hat auch Einfluss auf den Haushalt 2025 und die Folgejahre.“
Den sinkenden Erträgen 2024 sind nun niedrigere Aufwendungen gegenübergestellt. „Uns gelingen Einsparungen in Höhe von knapp 15 Millionen Euro, ohne dass das zu spürbaren Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger führen wird“, erläuterte Kämmerer Spies. Dafür hat sich die Verwaltung strikt an den tatsächlichen Ausgaben 2023 orientiert, als geplante 20 Millionen Euro nicht benötigt worden waren.
Der Nachtrag 2024 basiert nun auf diesem Ergebnis, ohne an irgendeiner Stelle hinter den Bedarf von 2023 zurückzufallen. Im Gegenteil wird da, wo es erforderlich ist, auch aufgestockt.
„Besonders wichtig ist mir, dass wir den Bestand der wichtigen Einrichtungen und Institutionen, in der Jugendarbeit, Jugendhilfe und Kinderbetreuung, in der Bildung, bei den sozialen Leistungen, der Gleichstellung, des Gewaltschutzes, der Kultur und dem Sport sichern können“, betonte Oberbürgermeister Spies. Marburg bleibe eine lebendige, lebenswerte Stadt. Die angekündigten Zuschüsse an freie Träger – gerade in den Bereichen Jugend, Soziales, Gleichstellung und Gewaltschutz, Kultur und Sport – blieben unangetastet: „Was versprochen war, wird gehalten.“
Trotz der Haushaltsdefizite für 2024 und die kommenden Jahre bekräftigte der Oberbürgermeister: „Marburg ist eine wohlhabende Stadt“ – mit – kurzfristig erheblich schwankenden – Erträgen nach oben und unten, aber langfristig betrachtet einer stabil guten Entwicklung. Sie verfügt zudem über die Überschüsse aus den Rekordjahren des Pharmastandorts – angelegt im Masterfonds – für die notwendigen langfristigen Investitionen in Marburgs Zukunft.“
In den vergangenen acht Jahren hat Marburg die Aufwendungen für Kinderbetreuung bereits um 20 Millionen Euro und damit 91 Prozent und für Soziale Leistungen um fast 4 Millionen Euro erhöht. Der Betrag für Gleichstellung oder für alle Fragen von Migration und Integration hat sich mehr als vervierfacht, die Aufwendungen für Kultur und Brandschutz wurden fast verdoppelt, das Ergebnis für die öffentliche Sicherheit ist um 130 Prozent gestiegen und für den Klimaschutz um 200 Prozent.
„Unsere freiwilligen Leistungen und freiwilligen Standards sind kein Schnickschnack, kein Luxus oder nice to have“, erklärte Spies. „Sie sichern Lebensqualität und guten Zusammenhalt. Sie sichern eine gute Zukunftsentwicklung und damit den langfristigen Wohlstand unserer Stadt.“
Klar sei: „Das können und wollen wir uns in normalen Zeiten alles leisten; und so soll es auf lange Sicht auch bleiben“, beteuerte Spies. „Aber die Zeiten sind gerade nicht normal.“ Die Universitätsstadt Marburg stehe – wie alle Kommunen – vor großen finanziellen Herausforderungen durch „Tarifsteigerungen, hohe Energiekosten, Inflation, Baukostenexplosion, kombiniert mit der Ankündigung des Landes, die Zuweisungen an die Kommunen zu kürzen, außerdem „immer mehr bürokratische Auflagen und die ständige Übertragung weiterer Aufgaben ohne finanziellen Ausgleich“, zählte Spies auf.
Der Kämmerer schlug vor, einen Konsolidierungsweg einzuschlagen, „ohne bei unseren wertvollen freiwilligen Leistungen und freiwilligen Standards zu sparen“. Dafür habe Marburg finanzielle und zeitliche Puffer, „weil uns die Rücklagen noch für viele Jahre vor massiven Einschränkungen bewahren“. Allerdings sei es nicht der Sinn des „Sparbuchs“ gewesen, sich darauf zu verlassen, das städtische Vermögen schnell zu verbrauchen und es zu verleben: „Das ist keine gute Idee. Vielmehr wollen wir es für Investitionen nutzen, die langfristig wirken in Schulen, Kitas, Wohnen, Sozialeinrichtungen, Kultur und Brandschutz.“
Stattdessen sieht der Kämmerer die Mittel der Wahl zur Konsolidierung für die Verwaltung darin, zu prüfen, „wo wir noch effizienter in unseren Aufgaben, kostengünstiger in unseren Leistungen und insgesamt besser werden können“. Der Nachtragshaushalt 2024 wird am Dienstag (8. Oktober) im Haupt-,
Finanz- und Wirtschaftsausschuss beraten und liegt am Freitag (11. Oktober) der Stadtverordnetenversammlung zur Beratung und Beschlussfassung vor. Beide Sitzungen im Sitzungssaal an der Barfüßerstraßesind öffentlich. Die Rede zum Nachtragshaushalt von Oberbürgermeister Spies finden Interessierte auf der Homepage der Stadt Marburg unter www.marburg.de/Rede_OB_Nachtrag2024.

* pm: Stadt Marburg

Ein Kommentar zu “Städtische Sparzwänge: Gewerbesteuer ist dramatisch gesunken

  1. Pingback: Umsteuern: Gewerbesteuer gesunken, doch nicht Marburgs Mut – marburg.news