Mängelliste aus Marburg: Offener Brief von sieben Kultureinrichtungen

Einen Offenen Brief zur Lage der Marburger Kulturinstitutionen haben sieben Einrichtungen am Donnerstag (18. Juli) veröffentlicht. „Der Wert von Kultur ist unbezahlbar“, erklären sie darin.
„Wir müssen über Geld reden“, heißt es in dem Offenen Brief zur Lage der Marburger Kulturinstitutionen. „Kultur ist kein Luxus. Kultur ist überlebenswichtig. Kultur ist nicht nur das Salz in der Suppe, sondern auch die Chilischote, die uns in Bewegung setzt in unserem Alltag.“
Kultur ist die Feier der Unterschiedlichkeit. Sie ist ein Fest der Vielfalt. Sie bedeutet Bewegung und Inspiration, geistige Aktivität und körperliche Bewegung. „Ohne diese Impulse erstarren wir – und es erstarrt die Gesellschaft, in der wir leben wollen“, erklären die sieben Kultureinrichtungen. „Wir brauchen diese schöpferische Energie.“ Kultur bietet die kreative Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen.
In einer Gesellschaft aber, in der Räume für Kunst und Kultur gefährdet sind, sind es immer auch die demokratischen Werte und die respektvollen Formen des Zusammenlebens, die gefährdet und in ihrer Existenz bedroht sind. „Spätestens seit der Europawahl wissen wir alle: Wir müssen unsere Demokratie stärken und verteidigen“, erklären
Die Kulturlandschaft in Marburg ist lebendig, bunt und vielfältig. Mit einer Vielzahl von Konzertbühnen, Theatern mit klassischen und experimentellen Formaten, soziokulturellen Zentren, Ausstellungsflächen für Bildende Kunst und Orten, die Raum für Interessensgruppen, Diskussionsforen und DJ-Kollektive ermöglichen, bietet Marburg ein breites kulturelles Spektrum, auf das die Stadt stolz sein kann. Diese Kulturinstitutionen – all die kleineren oder größeren Einrichtungen – bieten mit ihren gewachsenen Strukturen und jahrzehntelanger Erfahrung exzellente Programme.
Dort finden sich Menschen, die aus Lust und Überzeugung Räume für Kultur und Kunst pflegen, sie lebendig halten und künstlerisch bespielen. Diese qualifizierten Menschen arbeiten auch 2024 zum Teil noch immer ohne tariflich festgelegte Löhne. Der sich daraus ergebende Stundenlohn ist eine Farce – was das am Ende für die Rentenbilanz bedeutet, kann sich jede und jeder vorstellen.
Aber nicht nur die hauptamtliche Kulturarbeit steht unter Druck. Die kulturelle Szene Marburgs kommt nicht ohne die vielen ehrenamtlichen Kulturschaffenden aus. Eine Vielzahl von Veranstaltungen wird von begeisterten Menschen in deren Freizeit organisiert. Letztlich ist es auch hier die finanzielle Bedrängnis, die zu Stress führt, wo es eigentlich um Spaß gehen soll. Die Folge ist: immer mehr Rückzug aus dem Ehrenamt.
Ganz konkret fallen Kosten an: Die Einrichtungen sprechen von Gebäuden, Bühnen und Technik, von Reinigung, Instandhaltung und Verwaltung. Sie sprechen von – noch immer rückläufigen – Besuchszahlen, von verringerten Einnahmen durch weniger Kartenverkäufe und Thekenumsätze. Die Nachwirkungen der Pandemie sind in der Kulturszene noch lange nicht vorbei. Gleichzeitig schießen die Ausgaben für den laufenden Betrieb, die Infrastruktur, Öffentlichkeitsarbeit, für Catering, Technik, Personal, Instandhaltungen, Dienstleistungen und natürlich auch für Künstlerinnen und Künstler sowie deren Gagen durch Inflation seit Jahren in die Höhe.
Die Folge dieser Entwicklung ist, dass viele Kultureinrichtungen gezwungen sind, ihr Programm auszudünnen und die Preise anzuheben. Das sind Preise, die sie solidarisch halten wollen. Übrigens ist auch Solidarität ein von der Kultur vermittelter Wert.
Die Kostensteigerungen können nicht einfach mal so an die Menschen weitergegeben werden, die selbst unter der Inflation leiden. In vielen Kultureinrichtungen wird noch immer ein kostenloses Programm angeboten. Denn kulturelle Teilhabe ist wichtig. Kultur ist für alle da.
Und wie sieht die Zukunft aus? In den Marburger Institutionen, die zum Teil in den 70er und 80er Jahren gegründet wurden, vollzieht sich ein Generationswandel. Wie können heute jüngere Menschen gefunden werden, die bereit sind, sich kulturell zu engagieren und diese Kulturinstitutionen zu leiten? Wie lassen sich junge Menschen begeistern für Tätigkeiten unter diesen Bedingungen?
Das Bild der glücklichen – aber armen – Künstlerexistenz taugt schon lange nicht mehr als Zukunftsperspektive. „Was wir brauchen ist eine langfristige Perspektive“, schreiben die Kulturinstitutionen in ihrem Offenen Brief. „Was wir brauchen ist Planungssicherheit.“
Die finanziellen Lücken können ohne eine Anhebung der Fördermittel nicht geschlossen werden. Ohne Inflationsausgleich fehlt es den Kultureinrichtungen an praktischen Mitteln und damit schlicht an Geld, um auch weiterhin diese wichtige und wertvolle Kulturarbeit für so viele Menschen leisten zu können. „Die Förderungen müssen angehoben werden“, fordern die Kulturinstitutionen.
„Ohne finanzielle Sicherheit gibt es keine Kultur“, schreiben das Café Trauma, das Kultur- und Freizeitzentrum (KFZ) Marburg, die KunstWerkStatt Marburg, der Marburger Kunstverein, die Musikschule Marburg, das Theater neben dem Turm (TNT) und die Waggonhalle Marburg. „Und ohne Kultur wird es dunkel in unserer Stadt.“

* pm: Kultur- und Freizeitzentrum KFZ Marburg

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