Zwei Forscher der Philipps-Universität erhalten „ERC Advanced Grants“. Damit wird ihre exzellente Spitzenforschung ausgezeichnet.
Im Wettbewerb um die renommierte Forschungsförderung des Europäischen Forschungsrats (ERC) waren zwei Wissenschaftler der Philipps-Universität erfolgreich. Der Indologe Prof. Dr. Jürgen Hanneder und der Mikrobiologe Prof. Dr. Tobias Erb haben je einen ERC Advanced Grant für ihre ambitionierten Projekte eingeworben. Die Förderung ist zugleich eine Auszeichnung für etablierte Spitzenforschende, die neue Forschungsgebiete erschließen möchten.
„Ich gratuliere Jürgen Hanneder und Tobias Erb sehr herzlich zu diesem besonderen Erfolg“, sagte Uni-Vizepräsident Prof. Dr. Gert Bange. „Die ERC Advanced Grants sind ein weiterer eindrucksvoller Beleg für die Exzellenz und Vielfalt der Marburger Forschung, die einen breiten Bogen von den Geistes- bis zu den Naturwissenschaften spannt.“
Der Europäische Forschungsrat „European Research Council“ (ERC) ist der Forschungsförderer der Europäischen Union. Die ERC Advanced Grants gehören zu den vier großen Förderprogrammen der Organisation.
Hanneder erforscht die Sprachen, Kulturen und Geschichte des indischen Kulturraums. Für sein Projekt „K-S-H-Raksa“, das sich der Bewahrung des kaschmirischen Sanskrit-Erbes widmet, erhält er 2,5 Millionen Euro Förderung für fünf Jahre. Das kaschmirische Literaturerbe ist in jüngster Zeit – nicht zuletzt durch politische Konflikte wie die Vertreibung der Hindus im Jahr 1989 – in Gefahr geraten. Jüngere Forschungen zeigen, dass das handschriftliche Erbe der kaschmirischen Sanskrit-Literatur, das über die Welt verstreut ist und heute in Kaschmir selbst nicht mehr weiter erschlossen wird, spektakuläre Werke birgt. Dazu gehört das zuletzt von Hanneder herausgegebene größte bisher bekannte Bildgedicht der Weltliteratur.
„Wir sollten in unseren Bemühungen um die Erschließung dieser faszinierenden Literatur nicht nachlassen, denn es gibt noch bedeutende Schätze zu heben“, erklärte der Leiter der Marburger Indologie. In den nächsten fünf Jahren wird er den ERC Advanced Grant nutzen, um mit einem Team von vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die riesige Menge an bekannten Handschriften aus Kaschmir nach unbekannten Werken zu durchforsten und sie in einer neuen Veröffentlichungsreihe erstmalig zu publizieren. „Wir hoffen, so einen Beitrag zum Schutz und Erhalt dieser einzigartigen Literaturschätze zu leisten“, sagte Hanneder.
Erb ist Direktor am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie und seit 2018 Professor an der Philipps-Universität. Er warb bereits einen hessischen ERC Starting Grant ein und wurde dieses Jahr mit dem Leibniz-Preis der DFG ausgezeichnet. Er ist Mitglied des ehemalig LOEWE-geförderten Zentrums für Synthetische Mikrobiologie „SYNMIKRO“ und Co-Sprecher des LOEWE-Schwerpunkts „Tree-M – Mechanismen der Resilienz und Umweltwirkung des Blattmikrobioms von Bäumen“. Die prestigeträchtige Förderung des ERC Advanced Grants erhält er für seine Forschung an der Vergangenheit und Zukunft der Fotosynthese. Sein Projekt „pro2neo-RUBISCO“ erhält rund 2,8 Millionen Euro Förderung für fünf Jahre.
Die Fotosynthese ist der wichtigste Prozess für das Leben auf der Erde. Mit Hilfe der Fotosynthese fangen Pflanzen und Mikroorganismen das Treibhausgas Kohlendioxid ein und binden es in Biomasse, die Menschen in Form von Nahrungsmitteln (Getreide), Bau- und Wertstoffen (Zellulose, Baumwolle) beziehungsweise als Energieträger (Holz, Erdöl) in ihrem Alltag verwenden. Damit ist die Fotosynthese nicht nur ein natürlicher CO2-Filter, sondern spielt eine Schlüsselrolle in der Ernährung der Weltbevölkerung sowie der Transformation zu einer biobasierten Wirtschaft, indem sie das Treibhausgas direkt in nutzbare Rohstoffe umwandelt.
„Trotz Milliarden Jahren von Evolution ist die Fotosynthese aber aktuell in einer Zwickmühle gefangen“, erklärte Erb. „Der zentrale Schritt in der Fotosynthese – die Umwandlung von CO2 durch das Enzym Rubisco – geschieht nur langsam und ist fehlerbehaftet. Dies schränkt die Effizienz der Fotosynthese ein, was dramatische Einbußen für den landwirtschaftlichen Ertrag bedeutet.“ Im Projekt „pro2neo-RUBISCO“ möchten Erb und sein Team die evolutionäre Geschichte der Rubisco studieren, den molekularen Mechanismus des Enzyms aufklären und mit Hilfe synthetischer Biologie neue Alternativen zu dem Enzym entwerfen, um damit die Effizienz der Fotosynthese langfristig zu erhöhen.
* pm: Philipps-Universität Marburg