Fortschritte bei der Krebsbehandlung und bei der Bindung von CO2 zeichnet der MarBiNa-Förderpreis in diesem Jahr aus. Er geht an Dr. Nastasja Merle und Dr. Maren Nattermann.
Die Biologin Dr. Nastasja Merle und die Biochemikerin Dr. Maren Nattermann haben für ihre wegweisenden Arbeiten den Förderpreis der Marburger Initiative für Bio- und Nanotechnologie 2023 erhalten. Die Initiative wird gemeinsam von der Stadt Marburg, der Philipps-Universität und Unternehmen getragen. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies überreichte die Preise im Wert von je 4.000 Euro.
„Heute zeichnen wir zwei Forscherinnen aus, deren Entdeckungen nicht nur einen hohen wirtschaftlichen Praxisbezug haben, sondern auch für die Vielschichtigkeit und Exzellenz der Forschungen in Marburg stehen“, sagte Spies. Mit dem Preis werde Forschung gewürdigt, die das Ziel habe, das Leben der Menschen besser zu machen. „Klimaschutz und Krebstherapien sind zwei Kernbereiche der Forschung in Marburg. Daher haben wir uns entschieden, den zehnten – üblicherweise mit 5.000 Euro dotierten – Förderpreis der Marburger Initiative für Bio- und Nanotechnologie (MarBiNa) in 2023 zu teilen.“
Die Ameisensäure im Labor von Maren Nattermann riecht noch ein wenig stechend. Ätzend ist der Stoff, den Ameisen zur Abwehr versprühen, allerdings nicht mehr. Im Labor wird nämlich mit dem Salz der Ameisensäure gearbeitet. Und das wurde elektrochemisch aus CO2 gewonnen. Das ist eine – zumindest theoretische – Möglichkeit, die Atmosphäre zu entgiften.
Allerdings hakt es noch an der Weiterverarbeitung, an der Nattermann forscht. Die 28-jährige Wissenschaftlerin möchte die Ameisensäure so umwandeln, dass daraus in weiteren Schritten Wertstoffe wie Biodiesel, Biomasse, Tierfutter oder sogar Pharmazeutika werden können. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg.
„Wir sind in der Grundlagenforschung“, erklärte die Biochemikerin. „Das ist noch Zukunftsmusik.“
Nattermann ist es bereits gelungen, die Ameisensäure in das hochreaktive Formaldehyd umzuwandeln. Allerdings ist dies bislang noch sehr aufwändig. Die 28-jährige Forscherin sucht daher nach Wegen, so viel Formaldehyd so schnell wie möglich zu produzieren.
Tausende von Versuchsreihen hat sie gemacht, um Bakterienstämme mit künstlich veränderten Genen zu finden, die den Stoff noch besser herstellen. Erreicht hat sie bereits eine vierfache Verbesserung der Produktion. „Es ist unglaublich schön, wenn man sieht, dass es funktioniert“, erklärte Nattermann. Ameisensäure sei eine „Kohlenstoffquelle mit Zukunft“.
Die 28-jährige Forscherin stammt aus Saarbrücken. Sie studierte Biochemie in Heidelberg und gehört seit 2019 zur Arbeitsgruppe von Leibniz-Preisträger Prof. Tobias Erb vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. Schon ihre Doktorarbeit schrieb sie über den Ameisensäuren-Stoffwechsel.
Die Begeisterung für wichtige Grundlagenforschung teilt sie mit der zweiten Preisträgerin Nastasja Merle. Die aus der Schwalm stammende Molekularbiologin sucht im Marburger Uni-Institut für Molekulare Onkologie nach Wegen, die Entwicklung neuer Krebstherapien zu erleichtern. Am Beispiel der besonders aggressiven kleinzelligen Lungenkarzinome hat sie eine Methode entwickelt, mit der weniger Versuchstiere gebraucht werden.
Um neue Therapien für Krebsmedikamente zu entwickeln, sind grundsätzlich „präklinische Studien“ nötig, die Tierversuche erfordern. Dabei ist es entscheidend, dass die Tumore im Tier die gleichen krebserregenden Genmutationen aufweisen, die auch beim Menschen die Erkrankung auslösen. Um Tiere mit kombinierten Genveränderungen zu erzeugen, mussten die Mäuse bislang untereinander gekreuzt werden. Das führte wie bei jeder Zucht zwangsläufig dazu, dass es viele Überschussmäuse gab, die nicht die notwendigen Mutationskombinationen aufweisen.
Merle hat nun eine schnellere Methode gefunden, für die weniger Mäuse gebraucht werden. Zugleich werden die Studien damit vereinfacht und beschleunigt. Die Forscherin setzt sogenannte „Genscheren“ (CRISPR) ein, um Lungentumore in Labormäusen auszulösen.
„Unser Modell umgeht die aufwändigen Zuchten“, erläuterte Merle. Dazu wurden die für die Vermehrung von Adenoviren verantwortlichen Gene entfernt und durch Genscheren ersetzt, die Mutationen in denjenigen Genen hervorrufen, die bei mehr als 90 Prozent der Patient*innen mit kleinzelligen Lungentumoren auftreten. Prinzipiell ist die Methode aber auch auf andere Tumorarten übertragbar.
Das Verfahren sei wichtig, um personalisierte Tumortherapien schneller testen zu können. Zudem hat die 29-jährige Forscherin einen Weg gefunden, das Wachstum des Tumors in den Mäusen leichter und schonender für die Tiere zu beobachten. Sie stattet die Tumorzellen mit einem leuchtfähigen Enzym aus, das in die Blutbahn gelangt und dort nachweisbar ist. „Dann können wir anhand eines einzigen Blutstropfens aus der Schwanzvene der Mäuse jederzeit im Labor messen, wie viel Tumor im Tier vorhanden ist“, erklärte Merle.
Beide Preisträgerinnen kannten sich bislang nicht. Für ihr Preisgeld haben sie aber eine ähnliche Idee: Nattermann möchte mit ihrem Freund nach Paris fahren. Merle plant einen Wanderurlaub.
Marburg ist ein wichtiger Standort für Bio- und Nanotechnologie. Deshalb hat es sich die von Stadt, Universität und Unternehmen gemeinsam gegründete Initiative zum Ziel gesetzt, Wirtschaft und Wissenschaft durch Gespräche, Seminare und Treffen besser zu vernetzen und zugleich junge Forschende zu fördern. Die neue Ausschreibung startet bald wieder: Ab 1. April bis zum 30. Juni können sich junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für den Förderpreis 2024 bewerben. Die Bewerbungsbedingungen und -formulare gibt es auf der Website der Initiative unter initiative-biotechnologie.de/marbina.
* pm: Stadt Marburg